Letztes Update: 06. Dezember 2025
Die Rezension beleuchtet Reinhard Meys Live-Album Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91, analysiert Songauswahl, Arrangement und Publikumsstimmung. sie erfahren, welche Darbietungen herausragen, wie die Tonqualität wirkt und ob das Album Meys Stärke als Live-Performer bestätigt.
Reinhard Mey stand 1990 und 1991 oft auf Bühnen, die nach Umbruch rochen. Dieses Live-Album hält diese Jahre fest. Es zeigt einen Künstler, der vertraut klingt und doch neu hört. Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 ist mehr als eine Konzertmitschnitt. Es ist ein klingendes Zeitbild. Es ist auch ein Werk über Handwerk, Nähe und Haltung. Sie hören hier keine große Band. Nur Stimme, Gitarre und Atem. Und ein Saal, der mitdenkt. So entsteht eine Spannung, die bis heute trägt.
Die frühen Neunziger fühlten sich für viele an wie das Öffnen eines Fensters. Zugluft inklusive. In dieser Stimmung packt Mey seine Lieder aus. Er spielt alte Stücke. Er spielt aktuelle Lieder. Er mischt sanfte Bilder mit klaren Kanten. Der Blick geht von innen nach außen. Und wieder zurück. Das macht die Anordnung stark. Genau das fängt Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 ein. Es gibt eine heitere Gelassenheit. Dazu kommen wache Fragen. Nichts wirkt belehrend. Doch viel wirkt nach.
Das Album erschien 1991. Es liegt in zwei Fassungen vor. Eine CD mit 11 Stücken. Eine weitere mit 15 Stücken. Das ist mehr als ein Formatdetail. Es sind zwei Dramaturgien. Die 11-Track-Ausgabe wirkt kompakter. Sie bündelt den Abend wie ein gut gebundenes Buch. Die 15-Track-Edition atmet freier. Sie zeigt mehr Bogen, mehr Pausen, mehr Schattierung. Beide Wege haben Reiz. Beide zeigen den Künstler in Bewegung. Beide tragen den Geist der Tour. So wird das Material widerstandsfähig gegen Zeit.
In der kürzeren Fassung setzt Mey klare Marken. “Ich wollte wie Orpheus singen” öffnet den Raum. “Diplomatenjagd” schließt mit Biss. Dazwischen liegen Stimmungsknoten wie “Kleiner Kamerad” und “Das Meer”. Die 15er-Ausgabe fügt noch mehr Farbe hinzu. “Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars” zeigt die Freude an Form. “Mein Berlin” trägt den Ton der Stadt. “Golf November” hebt die Stimme ins Politische. “Ade nun zur guten Nacht” senkt den Vorhang behutsam. Beide Wege zeigen: Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 lebt von Spannungsbögen und geschicktem Timing.
Die Produktion setzt auf Klarheit. Das Mikro sitzt nah an der Stimme. Die Gitarre klingt warm, aber nicht fett. Man hört die Saiten. Man hört den Daumen. Man hört Luft. Das Publikum ist präsent, doch nie vordrängend. Applaus wird Teil des Beats. Keine Effekte drängen sich vor. Die Mischung lässt Raum für Pausen. Das macht schnell den Unterschied. Ein Atemzug darf Bedeutung bekommen. So entstehen Farben, die Studiofassungen oft glätten. Hier liegt die Stärke des Albums. Es fühlt sich an wie ein guter Platz in Reihe acht.
Meys Geschichten sind freundlich. Doch sie tragen Widerhaken. “Die Homestory” spielt mit Medienblick. “In Lucianos Restaurant” feiert den Alltag. “Mein Dorf am Ende der Welt” macht klein und weit zugleich. “Zwei Hühner auf dem Weg nach vorgestern” klingt verspielt. Doch das Lächeln hat Tiefe. Es kippt nie in Klamauk. Dahinter steht eine klare Haltung. Der Abend zeigt: Humor ist hier eine Methode. Er öffnet Türen. Dann stellt er Fragen. Die Pointen sitzen, aber die Sätze lassen nachklingen.
Was bleibt nach dem Lachen? Die stillen Stücke. “Kleiner Kamerad” öffnet eine innere Welt. “Wir” schaut auf das Du im Ich. “Allein” gibt dem Rückzug Würde. “Das Meer” breitet Ruhe aus. “Mein Apfelbäumchen” ist Trost in einfacher Form. Diese Lieder sind nicht laut. Sie sind stark durch Form und Bild. Sie halten den Abend zusammen. Sie geben ihm den Ton, der bleibt, wenn das Haus leer ist. Genau hier zeigt sich die Kunst. Sie lebt von Maß und Milde. Beides ist schwer in lauten Zeiten. Das Album beweist, wie gut es gelingen kann.
“Mein Berlin” bringt die Stadt auf die Bühne. Es ist kein Kalenderblatt. Es ist ein Gefühl. Zwischen Erinnerung und Blick nach vorn. “Die Mauern meiner Zeit” führt den Gedanken weiter. Die Mauer steht hier im Inneren. Das ist leise gesagt. Es ist dadurch umso klarer. Der Abend gewinnt dadurch Profil. Er wird politisch, ohne laut zu werden. Das passt in die Jahre nach dem Fall der Mauer. Es passt auch heute. Weil es um Haltung geht. Nicht um Parole. Auch darin zeigt Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 seine Kraft.
Der Ton der politischen Lieder bleibt menschlich. “Nein, meine Söhne geb’ ich nicht” stellt ein Nein in den Raum. Es steht ohne Schreien. “Alle Soldaten woll’n nach Haus’” verlagert den Blick auf den Menschen. “Wahlsonntag” zeigt die kleinen Risse der Demokratie. Das ist klug. Es ist zugänglich. Es nimmt den Hörer ernst. So entsteht Vertrauen. Ein Abend wie dieser braucht Vertrauen. Die Gitarre trägt. Die Worte greifen. Und der Saal hält mit. Darin liegt das feine Gewicht dieser Aufnahme.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Kunst der Pointe. “Gretel und Kasperle, Großmutter, Wachtmeister und Krokodil” klingt wie ein Spaß. Und ist doch eine Beobachtung über Rollen, Macht und Theater. “Ich hab’ meine Rostlaube tiefergelegt” neckt das Auto. Es neckt auch den Kult ums Auto. “Zwischen allen Stühlen” nimmt die Pose aufs Korn. Doch nie wird es hämisch. Der Spaß bleibt freundlich. Er dient als Spiegel. Das Publikum lacht. Es denkt dabei mit. Diese Balance ist selten. Hier funktioniert sie.
“Ich wollte wie Orpheus singen” ist mehr als ein Auftakt. Es ist ein Programm. Der Sänger sagt: Ich will rühren. Nicht betäuben. Ich will locken. Nicht blenden. Damit setzt die Aufnahme ihr Zeichen. Der Faden führt über “Sommermorgen” hin zu “Ade nun zur guten Nacht”. Dazwischen liegt Alltag, Welt, Liebe, Streit. Der Bogen bleibt rund. Das ist nicht nur Glück. Es ist Handwerk. Die Setlist greift ineinander. Die längeren Nummern geben Raum. Die kurzen setzen Lichtpunkte. So bleibt der Abend in Schwung.
Wer Meys Gitarrenspiel unterschätzt, wird auf diesem Album eines Besseren belehrt. Die Begleitung ist kein Teppich. Sie ist eine zweite Stimme. Mit Bassläufen, Synkopen, kleinen Läufen. Die Stimme steht klar im Zentrum. Doch sie ruht auf rhythmischer Sorgfalt. Das Timing sitzt. Die Phrasen atmen. Man spürt das Training der Bühne. Man spürt auch die Freude. Nichts wirkt zäh. Nichts wirkt erzwungen. Es ist das Selbstverständnis eines Liedermachers, der weiß, was er kann. Und der weiß, wann weniger mehr ist.
Live-Alben scheitern oft an der Distanz. Hier geschieht das Gegenteil. Man fühlt sich Teil des Raums. Die Moderationen tragen. Sie sind knapp und treffsicher. Es gibt Wärme. Es gibt aber auch Pausen. Diese Pausen lassen Platz für eigene Bilder. So entsteht Nähe. Nicht durch große Gesten. Durch gutes Zuhören. Das Publikum hört. Der Sänger hört zurück. Diese Wechselwirkung spürt man in jedem Stück. Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 hat darum die Qualität eines Abends, der auch ohne Kamera funktioniert.
Die Stärke der Produktion liegt im Blick. Es ist kein bloßes Dokument. Es ist kuratiert. Die Reihenfolge legt Bögen. Die Aus blendet Licht und Schatten. Die 11-Track-Version wirkt wie eine pointierte Lesung mit Musik. Die 15-Track-Version wie ein Gang durch ein Haus mit vielen Zimmern. Beide fangen die Kunst sauber ein. Beide zeigen Respekt vor Stille. Beide zeigen Mut zur Länge. “Golf November” zieht Kreise, die nur live so groß werden. Das Album lässt diese Kreise stehen. Es ist eine gute Entscheidung.
Tempo ist hier ein Erzählinstrument. Schnelle Nummern öffnen, langsame halten fest. Danach wieder ein frecher Takt. Diese Wellenstruktur schiebt Sie freundlich durch den Abend. Es gibt keine Brüche. Es gibt Absicht. Der Schnitt unterstützt die Idee. Man hört keine Sprünge zwischen Sälen. Man hört einen Fluss. Das ist für ein Live-Album nicht selbstverständlich. Es zeigt den Blick der Produzenten. Und es zeigt die Kontrolle des Künstlers über den eigenen Stoff. Beides tut gut.
Lieder wie “Kleines Mädchen” oder “Die Kinderhosenballade” tragen private Farbe. Doch sie kippen nie in bloßes Tagebuch. Die Bilder sind offen. Sie lassen Raum. Darin liegt ein altes Prinzip des Chansons. Persönlich wird universell, wenn es präzise ist. Mey nutzt das Prinzip klug. Er benennt Dinge, ohne sie zu erklären. Er vertraut dem Bild. So wird Nähe nicht aufdringlich. Sie wird tragfähig. Auch Jahrzehnte später.
Ironie kann scharf sein. Ironie kann zynisch sein. Bei Mey ist Ironie ein Werkzeug zur Entgiftung. Ein Beispiel ist “Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars”. Das Stück zeigt die Logik des Amts. Es zeigt sie, indem es sie nachahmt. Man lacht. Man merkt jedoch den Ernst. Denn es geht um Würde. Um Zeit. Um respektvolle Formen. Diese Art Ironie ist höflich und klar. Sie ist skeptisch und menschlich. Hier liegt ein Grund, warum Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 alt werden kann, ohne alt zu wirken.
Viele Abende verlieren die Spannung, wenn sie Themen mischen. Dieser Abend gewinnt. Zorn und Zärtlichkeit stehen nicht gegeneinander. Sie halten sich. “Nein, meine Söhne geb’ ich nicht” hat ein klares Rückgrat. Ein sanftes Lied danach fängt auf. So entsteht ein Puls. Er geht durch den ganzen Abend. Das macht müde Ohren nicht müde. Es macht sie neugierig. Es bringt Sie dazu, die nächste Nummer zu wollen. So gehört kuratiertes Live-Handwerk gemacht.
Die großen Fragen von 1990 und 1991 sind nicht verschwunden. Sie tragen nur andere Namen. Das Album erinnert daran, dass man über Welt sprechen kann, ohne zu schreien. Dass man rühren darf, ohne zu kitschen. Dass Höflichkeit nicht schwach ist. Meys Lied bleibt ein Angebot. Sie können lachen. Sie können weinen. Sie können denken. Das reicht. Gerade heute. Darum bleibt Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 ein guter Begleiter.
Ein paar Titel geben dem Abend Kontur. “Ich wollte wie Orpheus singen” setzt die Messlatte hoch. “Mein Berlin” erdet. “Wir” hält die Nähe. “Alle Soldaten woll’n nach Haus’” öffnet die moralische Frage. “Golf November” trägt die politische Dimension. “Das Meer” ist das große Bild für Ruhe und Weite. “Diplomatenjagd” sorgt für das ironische Finale. Dazwischen blitzen kleine Juwelen. “Sommermorgen” macht Licht. “Wahlsonntag” macht wach. Die Mischung trifft. Sie bleibt im Ohr. Sie bleibt im Gespräch.
Das Cover führt in eine Ära vor Streaming. Man nahm eine CD in die Hand. Man las Booklet-Texte. Man blätterte mit Erwartung. Dieses Gefühl trägt das Album. Die Redaktion hat den Ton seiner Zeit bewahrt. Ohne ihn einzufrieren. Man hört noch Kassettenduft. Doch der Klang ist klar genug für heutige Ohren. Das ist eine Kunst. Nicht jedes Live-Album von damals schafft das. Hier stimmt der Biss im Mittenbereich. Hier stimmt die Präsenz der Stimme. Die S-Laute zischen nicht. Die Gitarre scharrt nicht. Das ist gut balanciert.
Für neue Hörer bietet es einen idealen Einstieg. Denn es zeigt die ganze Bandbreite. Für Kenner ist es ein Stück Sammlung. Es rundet bekannte Studiofassungen ab. Es zeigt, wie Lieder im Raum wachsen. Es zeigt, wie Pausen Sinn tragen. Es zeigt, warum ein Abend mit einem Liedermacher ein eigenes Genre ist. Wenn Sie das Format lieben, finden Sie hier eine Referenz. Wenn Sie unsicher sind, kann es Sie gewinnen. Denn es ist ein Abend, der trägt. Auch ohne Bild. Auch ohne Show-Effekt.
Im Gesamtwerk von Mey markieren diese Konzerte einen reifen Punkt. Vieles ist gereift, nichts ist gealtert. Das Handwerk sitzt. Die Stimme hat Patina, aber keine Schwere. Die Themen sind groß, doch nicht großsprecherisch. Die Balance stimmt. Gegenüber früheren Live-Alben wirkt dies konzentrierter. Gegenüber späteren spielt es freier. Dieser Platz im Werk ist interessant. Er zeigt die Mitte. Darum eignet sich Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 gut als Gradmesser.
Die Stärken liegen im Fluss, in der Präsenz der Stimme, in der Auswahl. Die kleinen Schwächen? Ein, zwei Übergänge könnten knapper sein. Manche werden sich eine Spur mehr Raumklang wünschen. Andere hätten gern noch mehr Bonusmaterial. Doch das sind Detailfragen. Sie treten hinter dem Gesamtbild zurück. Der Abend funktioniert. Er bleibt persönlich. Er bleibt offen. Er bleibt aufrecht. Das zählt am Ende mehr.
Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 ist ein Album der leisen Kunst. Es zeigt Humor ohne Häme. Es zeigt Politik ohne Fahne. Es zeigt Liebe ohne Zuckerguss. Es vertraut auf den Song. Es vertraut auf das Publikum. Es vertraut auf Zeit. Wenn Sie ein Live-Album suchen, das Sie begleitet und nicht bedrängt, sind Sie hier richtig. Wenn Sie Mey neu entdecken wollen, ist dies eine gute Tür. Wenn Sie ihn seit Jahren hören, finden Sie hier einen Abend, der die Gründe dafür frisch erinnert. Das ist viel. Das ist schön.
Bleibt die Frage, was ein solches Album heute leisten kann. Es kann Ruhe bringen. Es kann Widerspruch wecken. Es kann zeigen, dass Anstand eine Kraft ist. Es kann Lust auf Sprache machen. Es kann Liebe zur Musik erneuern. In diesem Sinn erfüllt Reinhard Mey Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91 mehr als eine Aufgabe. Es erfüllt ein Versprechen. Es lautet: Ein gutes Lied findet Sie, wo immer Sie gerade sind.
Das Album "Mit Lust und Liebe: Konzerte ’90/91" von Reinhard Mey bietet eine eindrucksvolle Sammlung von Live-Aufnahmen. Es zeigt die Energie und Leidenschaft, die Mey auf der Bühne entfaltet. Wenn Sie ein Fan von Live-Musik sind, wird Ihnen dieses Album sicherlich gefallen. Es ist eine wunderbare Ergänzung zu Ihrer Sammlung und zeigt Meys Talent als Singer-Songwriter.
Ein weiteres bemerkenswertes Werk von Reinhard Mey ist das Album "Reinhard Mey Récital à l’Olympia". Diese Aufnahme fängt die Magie eines seiner berühmtesten Konzerte ein. Es ist ein Muss für jeden Fan und bietet einen tiefen Einblick in Meys musikalisches Schaffen. Die Live-Atmosphäre und die emotionale Tiefe seiner Lieder sind hier besonders gut zu spüren.
Auch andere Künstler haben beeindruckende Live-Alben veröffentlicht. Ein Beispiel dafür ist "Konstantin Wecker Wut und Zärtlichkeit Live". Wecker ist bekannt für seine kraftvollen und poetischen Texte. Dieses Album zeigt seine Fähigkeit, das Publikum zu fesseln und tief zu berühren. Es ist eine großartige Ergänzung für Ihre Musiksammlung und bietet eine ähnliche Intensität wie Meys Live-Aufnahmen.
Wenn Sie sich für die Werke von Künstlern wie Reinhard Mey interessieren, sollten Sie auch einen Blick auf "Hannes Wader Die Liedermacher" werfen. Wader ist ein weiterer herausragender Singer-Songwriter, dessen Musik tiefgründig und bewegend ist. Dieses Album bietet eine Sammlung seiner besten Lieder und ist ein weiterer Beweis für die Qualität der deutschen Liedermacher-Szene.