Letztes Update: 31. Oktober 2025
Die Rezension zu Wenzels Album Seit ich am Meer bin erzĂ€hlt von AtmosphĂ€re, TextschĂ€rfe und Melodie. Wir analysieren einzelne StĂŒcke, Produktion und Gesang, benennen gelungene Momente sowie LĂ€ngen und erklĂ€ren, warum das Album anspruchsvolle Hörer berĂŒhrt.
Am 3. Juni 2011 erschien ein Album, das leise beginnt und lange nachhallt. Dabei geht es um Bewegung, um Zeiten, um Orte. Und um einen Blick auf das Leben, der klar, ruhig und streng ist. Das Album liegt in zwei Fassungen vor. Eine CD mit 26 StĂŒcken. Eine zweite mit 17 StĂŒcken. Zusammen ergeben sie ein Mosaik aus Miniaturen. Aus Beobachtungen. Aus klaren Bildern, die nicht poltern. Schon hier setzt Wenzel auf Disziplin. Es geht um Form und um Sinn. Es geht um eine Sprache, die nah bleibt. Die SĂ€tze sind kurz. Die Töne sparsam. Und doch wird ein groĂes Feld betreten: Europa, das Meer, die Erinnerung, der Kalender. Das alles bĂŒndelt Wenzel Seit ich am Meer bin in einem einzigen, sorgsam geordneten Atemzug.
Sie hören hier kein lautes Manifest. Sie hören ein Werk, das in die Tiefe will. Es nennt Orte, ohne sie auszuschmĂŒcken. Es markiert Zeiten, ohne sie zu messen. Die 26 StĂŒcke der ersten CD wirken wie Skizzen. Doch sie sind keine EntwĂŒrfe. Sie sind fertig, knapp und deutlich. Die 17 StĂŒcke der zweiten CD greifen das Motiv des Meeres auf. Sie fĂŒgen Briefe, Kinderbilder und politische Schatten hinzu. So entsteht eine Form der Reise, die nicht protzt. Sie geht in die NĂ€he. Sie legt die Stimme frei. Sie lĂ€sst das Wort tragen. Das ist der Mut dieses Albums.
Im Zentrum steht das Meer. Es ist Ort und Idee. Es trennt und verbindet. Es ist Grenze und Weite. Sie werden das im Hören spĂŒren. Das Meer ist der gemeinsame Nenner der Orte. Istanbul, Svendborg, die Cevennen, Fuente Vaqueros. Dazu kommen die Monate, von Januar bis Dezember. Sie bilden einen Rahmen. Es ist, als schaue die Stimme von Land auf Wasser. Der Blick bleibt prĂ€zise. Er sieht nicht nur Romantik. Er sieht Strom, KĂ€lte, Salz, Wind und Abschied. So arbeitet Wenzel Seit ich am Meer bin mit einfachen Bildern. Doch die Wirkung ist komplex. Das Meer wird zur Folie fĂŒr Abschied, Lust, Kampf, Trost und Ruhe.
Viele StĂŒcke sind nur eine Minute lang. Manche sind sogar kĂŒrzer. Das ist keine Laune. Es ist eine Haltung. Die KĂŒrze zwingt zum Kern. Nichts ĂberschĂŒssiges kommt in den Klang. In "An Manchen Tagen" reichen 37 Sekunden. In "Mea Culpa" sind es 1:46. "Ode An Raki" dauert kaum lĂ€nger als eine Pause. Und doch bleibt ein Bild. Eine Stimmung. Ein Ziel. Diese KĂŒrze ist kein Mangel. Sie bĂŒndelt Energie. Sie öffnet RĂ€ume im Kopf. Die Miniatur wird zum Motor. In ihr wirkt Wenzel Seit ich am Meer bin am stĂ€rksten. Denn hier gilt die Regel der guten Lieder: lieber weglassen als aufblĂ€hen.
Das Album benennt Orte, aber keine Reiseberichte. "Friedhof Istanbul" sagt alles im Titel. "Hagia Sophia" klingt wie der Schritt durch ein kĂŒhles Schiff aus Stein. "Fuente Vaqueros" ruft den Namen von Federico GarcĂa Lorca. Die Musik gibt nicht vor, diese Orte zu besitzen. Sie berĂŒhrt sie nur. So entstehen Echos. Sie hören Geschichte, ohne ein LehrstĂŒck zu erhalten. Es sind Spuren. Staub und Licht. Stimmen, die ĂŒber Wasser kommen. Auch in der zweiten CD stehen Orte als Zeichen. "Svendborg" erinnert an Arbeit, Exil, Meer und Wind. So verweben sich Geografie und GedĂ€chtnis. Das trĂ€gt Wenzel Seit ich am Meer bin durch das ganze Werk.
Der Istanbul-Zyklus ist kurz und fein gesetzt. "Friedhof Istanbul" dauert nur 1:30. "Hagia Sophia" keine zwei Minuten. Und doch baut die Musik einen Raum. Sie stellt der GröĂe ein stilles Atmen entgegen. Da ist keine Postkarte. Da ist ein Gang, zwei Schritte, ein Blick. Der Ton bleibt warm, aber nicht weich. Er zeigt Respekt. Er kennt die Last aus Stein. Er kennt die Schwere der Zeit. Genau hier gewinnt Wenzel Seit ich am Meer bin sein Gewicht. Denn die Kunst zeigt, was sie nicht sagt. Sie arbeitet mit Auslassungen. Sie schenkt Ihnen die LĂŒcke, in der Sie weiterdenken.
"Svendborg" ist eine kleine Welle. Ein WindstoĂ, der von Arbeit spricht. Vom Meer, das Nahrung, aber auch Grenze ist. "Fuente Vaqueros" erinnert an Lorca. Es ruft den Dichter, ohne Pathos. Nur ein kurzer GruĂ, ein Licht auf einem Namen. Auch "E.S. (SpanienkĂ€mpfer)" setzt einen Anker der Erinnerung. Die Stimme zieht Linien zwischen Orten und Schicksalen. So entsteht ein Netz aus SolidaritĂ€t. Kein Appell, kein Spruchband. Eine schlichte Geste. In dieser Geste liegt die WĂŒrde, die Wenzel Seit ich am Meer bin zusammenhĂ€lt.
Die zweite HĂ€lfte der ersten CD widmet sich den Monaten. Von Track 15 bis Track 26. Es beginnt mit "Januar" und endet mit "Dezember". Die StĂŒcke sind sehr kurz. Die LĂ€ngen liegen zwischen 36 und 2:50 Minuten. Es sind Notate eines Jahres. Kein Kalender mit Slogans. Ein GesprĂ€ch mit dem Wetter. Mit dem Licht. Mit dem, was vergeht. "April" ist etwas lĂ€nger und klingt nach Aufbruch. "August" nimmt die Zeit, die der Sommer braucht. "September" atmet Abschied. "Oktober" und "November" schieben Nebel. "Dezember" ist knapp, still und klar. So wird das Jahr selbst zum Meer. Es ebbt und flutet. Es lĂ€sst, was war, am Rand zurĂŒck. Darin zeigt sich die Langzeitform von Wenzel Seit ich am Meer bin als stilles Konzeptalbum.
Die Produktion bleibt nah an der Stimme. Das Instrumentarium ist sparsam. Es wirkt, als sitze jemand im Zimmer nebenan. Man hört Luft, man hört Atem, man hört Holz. Die Melodien dienen dem Text. Sie tragen, sie stören nicht. Das ist wichtig. Denn die Worte brauchen Raum. Die Stimme fĂŒhrt in kleinen Bögen. Keine groĂe Geste, keine Show. Der Gesang bleibt sprechend, lebendig, ruhig. So entsteht ein Klang, der Ihnen Zeit lĂ€sst. Zeit zum Hören, zum Sehen, zum Denken. Hier entfaltet Wenzel Seit ich am Meer bin seine gröĂte StĂ€rke: Vertrauen in die Zuhörerin, in den Zuhörer, in Sie.
Die Texte halten die Balance. Sie kennen ZĂ€rtlichkeit. Sie kennen Zorn. Sie kennen MĂŒdigkeit und Mut. "Gewöhnt An Den Tod" arbeitet mit kargen Bildern. "GroĂer Tod" erweitert den Ton und fĂŒhrt ihn ins Ritual. "Die Nacht So Weich Und Rund" zeigt eine andere Seite: NĂ€he, Körper, Atem. Dann wieder politische Spitzen. "Wenn Es Die Leute Wollen" bringt einen bitteren Witz. "Herrenlose Hunde" beobachtet die Stadt mit offenen Augen. Diese Spannungen bleiben stets gebĂŒndelt. Kein Ausbruch kippt das Ganze. Alles greift ineinander. Das macht Wenzel Seit ich am Meer bin so stimmig. Es wirkt wie ein Spaziergang, der in eine Rede ĂŒbergeht und doch leicht bleibt.
Einige Titel stechen heraus, weil sie viel mit wenig sagen. "Provinz Tango" tanzt mit einem Augenzwinkern. "Kleines Cevennen-Lied" riecht nach Staub, Thymian und Fels. "Ode An Raki" kippt den Becher Freundschaft. "Mea Culpa" bricht die Pose. "Winzige Pause" eröffnet alles, und das passt. Die zweite CD setzt mit "Halte Mich" ein zartes Zeichen. "Seit Ich Am Meer Bin" bringt das Motiv auf den Punkt. "Letzte Briefe" und "Du Hast Nicht Gewartet" tragen die Last von Abschied. "Ich Bin Der Wind" zeigt ein Element als Stimme. Es sind prÀzise Setzungen. Alles ist kurz. Alles zielt auf eine Stimmung. Darin liegt der Reiz von Wenzel Seit ich am Meer bin: die Sorgfalt in der Auswahl, die Klarheit im Ziel.
"Im Haus Der Sterbenden Sprechen Die GĂ€ste Leise" zĂ€hlt zu den stĂ€rksten Momenten. Der Titel ist lang. Doch der Satz ist ruhig. Er zeichnet eine Szene. Er bittet um Respekt. Mehr nicht. Mehr braucht es nicht. "In Meiner Stadt Sind Jetzt Die Barbaren" ist das GegenstĂŒck. Dieses Lied ist lĂ€nger, voller, dunkel. Es baut Spannung auf. Es setzt Worte mit Gewicht. Es fragt nach Verantwortung. Wer schaut hin? Wer bleibt stumm? Hier zeigt Wenzel Seit ich am Meer bin, wie politisch leise Worte sein können. Ohne Schlagwort. Ohne Schrei. Nur mit einer Stimme, die nicht weicht.
Dieses Album trĂ€gt das Datum 2011. Doch es klingt zeitlos. Es ruht in sich. Es verweigert Moden. Weder die Klangfarbe noch die Texte wollen auf den Zeitgeist zielen. Sie greifen tiefer. Sie gehen auf Stoffe, die bleiben: Abschied, Meer, Stadt, Erinnerung, Arbeit, Tod, Freundschaft. Das macht die Platte heute hörenswert. Sie passt in eine Welt, die sich schneller dreht. Sie lĂ€dt zum Verlangsamen ein. Sie spult nichts vor. Sie fordert, aber sie ĂŒberfordert nicht. Auch deshalb arbeitet Wenzel Seit ich am Meer bin so gut als Ganzes. Es belohnt das Hören in einem Zug. Es hĂ€lt eine Linie, die sanft und stabil ist.
Sie mögen Lieder, die atmen? Sie mögen Texte, die etwas wagen? Dann sind Sie hier richtig. Dieses Album richtet sich an Hörerinnen und Hörer, die Worte lieben. Es passt zu Menschen, die gern sehen, wĂ€hrend sie hören. Es passt zu Leserinnen, die Gedichte mögen. Es passt zu Reisenden, die Orte fĂŒhlen, aber nicht erobern. Wer groĂe Refrains sucht, findet sie hier nicht. Wer einen roten Teppich will, auch nicht. Was Sie finden, ist eine klare, kluge Form von Liedkunst. Sie lebt von Ruhe, Mut und Respekt. Genau darin liegt die StĂ€rke von Wenzel Seit ich am Meer bin. Es wird Ihnen nicht schmeicheln. Es wird Ihnen zuhören, wenn Sie hören.
Einige Hörerinnen werden die KĂŒrze der StĂŒcke als Mangel sehen. Manches endet sehr schnell. Nicht jedes Bild bekommt einen zweiten Blick. Hier kann Frust entstehen. Auch die dichte Folge von Miniaturen verlangt Geduld. Es gibt wenig melodische OhrwĂŒrmer. Das ist Absicht, aber es ist ein Risiko. Zudem wirken einzelne politische Setzungen heute hart. Sie stehen nackt im Raum. Das fordert eine Haltung beim Hören. Die Produktion ist sehr nah. Das kann manchen zu karg erscheinen. Doch gerade diese Kargheit trĂ€gt die Texte. In dieser Balance liegt das Wagnis. Und genau hier behauptet sich Wenzel Seit ich am Meer bin im besten Sinn: Es nimmt sein Publikum ernst.
Als Doppelwerk wirkt das Album wie ein Buch in zwei BĂ€nden. Band eins entwirft die Orte und die Monate. Band zwei legt Briefe, GestĂ€ndnisse und Wind darĂŒber. Die Dramaturgie steigt immer wieder ab in die Stille. Dann taucht sie mit einem klaren Satz wieder auf. Es gibt Pausen, die tragen. Es gibt kurze LĂ€ufe, die glĂ€nzen. Es gibt SĂ€tze, die das Herz in die Brandung treiben, wie ein Titel verrĂ€t. So entsteht ein Fluss, der Sie aufnimmt. Er setzt Sie anders wieder ab. Am Ende bleibt das GefĂŒhl eines Weges. Er fĂŒhrt nicht weit. Aber er fĂŒhrt tief. So erfĂŒllt Wenzel Seit ich am Meer bin das groĂe Versprechen kleiner Formen.
Wer einstiegen will, dem helfen wenige, klare Punkte. "Provinz Tango" fĂŒhrt in das LĂ€cheln des Alltags. "Gewöhnt An Den Tod" öffnet den dunklen Raum. "April" zeigt die Luft, in der alles neu wird. "August" lĂ€sst die Hitze atmen. Auf der zweiten CD tragen "Letzte Briefe" und "Du Hast Nicht Gewartet" das Thema Verlust. "Ich Bin Der Wind" bringt die Natur als Stimme zurĂŒck. "In Meiner Stadt Sind Jetzt Die Barbaren" gibt dem Werk den langen Atem. Diese Auswahl zeigt, wie breit das Spektrum ist. Und wie eng die Form bleibt. Genau darin liegt der Reiz von Wenzel Seit ich am Meer bin.
Viele Titel sind ganze Gedichte. Sie arbeiten mit Bildern, die sofort wirken. "Die Nacht So Weich Und Rund" ist ein gutes Beispiel. "Im Haus Der Sterbenden Sprechen Die GĂ€ste Leise" ein anderes. "WeiĂt Du, Was Nachts Mit Meinem Herz In Die Brandung Treibt" ist beinahe eine Prosazeile. Doch die Musik hĂ€lt das Gewicht. Sie bricht es in kleine, singbare Bögen. So kippt nichts. So bleibt das Gleichgewicht zwischen Wort und Klang. Dieses Gleichgewicht ist selten. Es fordert die Aufmerksamkeit. Es belohnt das genaue Hören. Damit setzt sich Wenzel Seit ich am Meer bin im Feld der Liedkunst ab: Es denkt die Sprache musikalisch mit.
Dieses Album ist ein stiller Triumph der Form. Es darf kurz sein, weil es genau ist. Es darf leise sein, weil es klar ist. Es darf traurig sein, weil es warm ist. Sie finden hier keine Pose. Sie finden Arbeit am Wort. Sie finden Respekt vor der Stille. Sie finden einen Blick auf Orte, Monate, Menschen. Sie finden die Zeit, die ein Satz braucht. All das liegt in der offenen Hand, nicht in der Faust. Wer dafĂŒr offen ist, wird reich belohnt. Wer Geduld mitbringt, wird viel sehen, hören und lernen. Und wer am Ende in den Titel zurĂŒcktritt, versteht die Pointe: Wenzel Seit ich am Meer bin ist kein Reisebericht. Es ist eine Schule des Hörens. Eine Ăbung im Genug. Eine Erinnerung daran, dass groĂe Lieder klein sein dĂŒrfen.
Das Album "Seit ich am Meer bin" von Wenzel bietet eine faszinierende Mischung aus tiefsinnigen Texten und eingĂ€ngigen Melodien. Wenzel, bekannt fĂŒr seine poetische Ader und kritischen Texte, zeigt auch in diesem Werk seine Vielseitigkeit. Wenn du mehr ĂŒber Wenzels musikalische Reise erfahren möchtest, solltest du dir auch sein frĂŒheres Werk Wenzel Schöner LĂŒgen ansehen. Dieses Album bietet ebenfalls eine tiefgrĂŒndige Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen.
Ein weiteres Highlight in Wenzels Diskografie ist das Album Wenzel Himmelfahrt. Hier zeigt Wenzel erneut seine FĂ€higkeit, komplexe Themen in eingĂ€ngige Melodien zu verpacken. Die Kritik zu "Himmelfahrt" beleuchtet die verschiedenen Facetten des Albums und gibt dir einen umfassenden Einblick in Wenzels kĂŒnstlerisches Schaffen.
FĂŒr eine kritische und tiefgehende Auseinandersetzung mit Wenzels Werk ist auch das Album Wenzel GrĂŒnes Licht empfehlenswert. Dieses Album zeigt Wenzels Engagement fĂŒr gesellschaftliche Themen und seine FĂ€higkeit, diese musikalisch umzusetzen. Die kritische Albumvorstellung bietet dir eine detaillierte Analyse und hilft dir, die Tiefe von Wenzels Musik besser zu verstehen.