Letztes Update: 04. Oktober 2025
Der Artikel stellt Wolf Biermanns Album Das geht sein’ sozialistischen Gang vor: Er analysiert Texte, Melodien und politischen Kontext, bewertet Produktion und Wirkung und ordnet das Werk historisch ein. Ich erkläre, warum sie das Album heute noch hören sollten.
Dieses Album verlangt Aufmerksamkeit. Es ist ein Zeitdokument. Es ist aber auch ein künstlerischer Drahtseilakt. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang erschien 1977, wenige Monate nach dem Eklat um seine Ausbürgerung. Sie hören hier keine glatt produzierte Studioplatte. Sie hören einen Abend, der atmet. Sie hören Musik, Streit, Lachen und Zweifel. Der Abend zieht Sie in einen Raum, in dem ein Künstler mit seinem Publikum ringt. Und Sie merken schnell: Das ist mehr als Nostalgie.
Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang zeigt den Liedermacher im Feuer der Stunde. Es ist mutig, roh und präzise. Das Album macht die emotionalen Temperaturen jener Zeit hörbar. Es verhandelt Themen, die heute wieder brennen: Freiheit, Verantwortung, Angst und Mut. Das Werk fordert Sie heraus. Es belohnt Sie mit Tiefe und mit Humor, der wie Salz auf der Wunde wirkt.
1977 war für die deutschsprachige Liedkultur ein Bruchjahr. Die Bühne wurde zum politischen Forum. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang spiegelt diesen Wandel. Der Künstler steht nicht nur als Sänger dort. Er ist Gastgeber, Moderator und Zeuge. Er lässt Stimmen zu und kontert sie. Er spielt mit der Grenze zwischen Lied und Rede. Dabei bleibt er bei seiner Essenz: eine Gitarre, eine Stimme, ein klares Gewissen.
Sie hören, wie ein Abend entsteht, der Offenes zulässt. Das ist keine Pose. Es ist eine Form von Zivilität. Das Konzert wird zum Proberaum für Demokratie. Das wirkt heute überraschend modern. Damals war es riskant. Und es klang neu.
Es gibt zwei CD-Fassungen. Beide zeigen den gleichen Kern, aber in anderer Dramaturgie. Beide Fassungen leben von der unmittelbaren Aufnahme. Sie tragen die Energie des Publikums auf der Zunge. Und beide geben Raum für Sprechpassagen. Das ist kein Makel. Es ist das Konzept. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang ist damit ein Album zwischen Konzert, Hörspiel und Debatte.
Die 13-Track-Fassung beginnt mit So soll es sein (neue Fassung). Fast 16 Minuten lang. Das ist eine Wucht. Danach folgt eine Abfolge von Liedern und Sprechteilen. Diskussionen tauchen wieder auf. Sie hören Applaus, der fast schmerzt, weil er so kurz ist. Warte nicht auf bess’re Zeiten, Du, lass’ dich nicht verhärten und Das kann doch nicht Alles gewesen sein stehen Seite an Seite. Fritz Cremer, Bronze: Der Aufsteigende und Flori Have erweitern das Spektrum. Zum Schluss die Diskussion über sowjetische Panzer. Sie dauert fast zehn Minuten. Das ist nicht dekorativ. Das ist eine Spitze ins Herz der Zeit. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang gewinnt hier an Gewicht, weil es nicht ausweicht.
Die 16-Track-Fassung setzt einen anderen Schwerpunkt. Sie startet mit Applaus und Einleitung. Der Titelsong Das geht sein’ sozialistischen Gang steht früh und dauert über neun Minuten. Dann kommen wieder Sprechpassagen. Balladen tragen Namen, die nach Lesebuch klingen: Ballade vom Mann, der sich eigenhändig beide Füße abhackte, Das Land ist still — noch, Ballade von der alten Stadt Lassan. Dazu Portrait eines Monopolbürokraten und Das Kunze–Lied. Der Abend endet mit Schlusssignal: Schlußapplaus. Die Form bleibt offen, aber die Erzählung ist klar. Diese Fassung hält die Spannung breiter. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang zeigt hier seine erzählerische Kraft.
Die Sprechpassagen sind kein Beiwerk. Sie sind Bogen und Bruch zugleich. Sie führen Sie in die Werkstatt des Liedes. Hier entstehen die Lieder weiter. Im Publikum, im Streit, im Lachen. Das Gespräch ist Teil der Rhythmik. Es setzt Takt, Pausen und Akzente. Biermanns Sätze sind oft kurz. Sie kommen wie Strophen. Er phrasiert Rede. Das ist klug gebaut. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang nutzt diesen Klang der Rede als musikalische Ressource.
Sie merken, wie die Gitarre den Puls hält. Auch wenn keine Töne erklingen, bleibt der Puls fühlbar. So entsteht eine innere Metrik. Sie trägt das Ganze. Sie macht das Sprechen singbar. Das ist ein Kunstgriff. Und es ist ein Wagnis, das gelingt.
Die Aufnahme ist live, aber nah. Die Stimme steht vorne. Die Gitarre ist trocken, doch nie hart. Es gibt Raumhall, aber er stört nicht. Er atmet. Sie hören Atemzüge. Sie hören Saitenrutschen. Das ist nicht fehlerfrei. Das ist ehrlich. Es passt zur Sache. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang lebt vom Charakter dieser Stimmen. Auch die Stimmen aus dem Saal. Sie geben Tiefe und Farbe.
Die Dynamik schwankt. Das ist Teil des Charmes. Der Lautstärkeweg folgt dem Abend. Die Mischung bleibt verständlich. Sie können jedem Wort folgen. Das hilft. Denn hier zählt jedes Wort. Der Sound knüpft an alte Folk-Traditionen an. Und er öffnet eine Tür zum Theater der Stimme.
Wer Politik sagt, fürchtet oft Schablonen. Dieses Album ist keine. Es stellt Fragen. Es predigt selten. Es wagt Ironie. Es riskiert Zartheit. Die Stücke halten die Gegenwart auf Abstand. Und sie holen sie sofort wieder heran. Das ist die Kunst. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang entzieht sich dem einfachen Urteil. Es ist kein Schwarz-Weiß. Es ist ein lernendes Grau mit Herz.
Gerade die Mischung aus Lied und Wort verhindert den Lehrplan-Ton. Sie hören Einwände. Sie hören Zustimmung. Sie hören Unruhe. Daraus entsteht Glaubwürdigkeit. Diese Glaubwürdigkeit trägt das Album über seine Zeit hinaus. Sie spüren den Mut, der darin liegt.
Warte nicht auf bess’re Zeiten kommt mit trockenem Witz. Es ist ein Weckruf ohne Pathos. Du, lass’ dich nicht verhärten setzt auf Empathie. Es ist arm an Ornamenten und reich an Wärme. Das kann doch nicht Alles gewesen sein drückt ein offenes Sehnsuchtsfenster auf. Das Land ist still — noch arbeitet mit Leise-Sein als Drohung. Die Ballade von der alten Stadt Lassan spannt Geschichte und Gegenwart zusammen. Ballade vom Mann, der sich eigenhändig beide Füße abhackte packt bösen Humor auf nackte Tatsachen. Sie fühlen das Lachen und das Schlucken.
Die Sprechpassagen tragen Titel, die kein Beiwerk sind. Diskussion über sowjetische Panzer ist eine klare Markierung. Sie benennt das Elefantenthema. Fritz Cremer, Bronze: Der Aufsteigende setzt Kunst als Spiegel ein. Sie hören, wie Bildende Kunst Töne bekommt. Das Kunze–Lied öffnet eine Szene in die DDR-Literatur. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang zieht Rückfäden zwischen Künsten. Es hält die Brücken offen.
Biermanns Sprache trifft gern auf die Kante. Er liebt den Reim, der kratzt. Er nutzt Alliterationen, die stoßen. Doch er kennt auch den weiten Atem. Lange Stücke wie So soll es sein (neue Fassung) zeigen Geduld. Sie zeigen Refrain als Scharnier. Das hält das Monument in Bewegung. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang ist dadurch kein Ziegel, sondern ein Haus mit Fenstern. Die Fenster lassen viel Licht herein. Auch die Schatten bleiben sichtbar.
Die Gitarre dient oft als Liniensystem. Sie trägt rhythmische Figuren, die schieben. Dann geht sie zurück. Dann wieder vor. Sie spüren das in den Händen. Das wirkt leicht. Es ist aber präzise gedacht. Die Balance hält das Album zusammen.
Die Applaus-Schnipsel sind nicht zufällig. Sie sind dramaturgische Wegweiser. Ein Applaus von sieben Sekunden ist eine Nadel. Einer von 54 Sekunden ist ein Kissen. So zeichnet sich ein Abend, der atmet. Die Zwischenrufe sind sparsam, aber sinnig. Manchmal klingt gelöstes Lachen. Manchmal liegt ein Seufzer im Raum. All das wird Teil der Musik. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang lässt diesen Raum bewusst frei. Das macht das Hören spannend.
Die Reihenfolge ist klug. Nach einer schweren Passage kommt oft ein Stück mit Schwung. Nach einem Spottlied folgt ein ernster Moment. So entsteht Wellenbewegung. Sie hält Sie wach. Sie leitet Sie, ohne zu zerren.
Wie wurde das damals gehört? Im Westen als Mutprobe. Im Osten als Verrat oder Rettungsleine. Heute hören Sie einen Künstler, der die Zeit nicht benutzt, sondern befragt. Das ist der Unterschied. Darin liegt die Würde des Werks. Kritisch gesehen gibt es Längen. Manche Passagen bleiben Kontext gebunden. Sie brauchen Vorwissen. Doch das Album sorgt für Anker. Es erklärt viel aus sich selbst heraus. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang gewinnt so an Standfestigkeit.
Der Nachhall ist spürbar. Viele jüngere Songwriter greifen heute die Idee der Gesprächsform auf. Sie nutzen Zwischenstücke, erzählen, öffnen Räume. Das geschieht in Podcasts, auf Bühnen, in Wohnzimmern. Biermanns Form wirkt dabei wie eine frühe Blaupause. Nicht als Muster, sondern als Ermutigung.
Der Titel war damals Ambivalenz pur. Er klingt wie ein Spruch der Partei. Doch er trägt eine Spitze. Er nimmt das Schlagwort und dreht es um. Er entlarvt den Automatismus. Heute klingt der Titel wie eine Frage: Geht etwas einfach so seinen Gang? Oder braucht es Widerspruch? Das Album antwortet mit Handlung. Es zeigt, wie Widerspruch klingt. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang wird so zur Unterrichtsstunde in Zweifel und Mut.
Der Ausdruck „sozialistischen Gang“ ist dabei kein Gespenst aus der Mottenkiste. Er steht stellvertretend für jeden großen Apparat. Für jedes System, das sich selbst genügt. Das Album stellt dem ein Handwerk entgegen. Das Handwerk des genauen Hinsehens und Hinhörens. Diese Haltung bleibt aktuell.
Biermanns Humor ist messerscharf. Er lacht nicht über, sondern mit. Dennoch tut es weh. Sein Spott trifft Strukturen, nicht nur Personen. Das schützt ihn vor Zynismus. Seine Härte zeigt sich in klaren Benennungen. Da gibt es kein weichgespültes Wort. Sein Herz zeigt sich in Trost-Liedern. Sie sind leise, aber bestimmt. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang hält diese drei Werkzeuge im Gleichgewicht.
So entsteht Vertrauen. Sie als Hörerin oder Hörer merken: Da redet keiner von oben. Da singt jemand von nebenan. Einer, der die Krise kennt. Der auch über sich lacht. Der sich schont, indem er sich nicht schont.
Die Produktion ist solide. Sie ist nicht luxuriös. Aber sie hält die Balance. Die Spur der Gitarre bleibt klar. Die Stimme sitzt vorn. Die Sprechsegmente sind sauber getrennt. Das erleichtert das Hören. Die Laufzeiten sind mutig. Ein 15-Minuten-Opener trägt nur, wenn das Material stimmt. Hier stimmt es. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang nutzt die Länge als Stilmittel. Die Zeit ist Teil der Aussage.
Die beiden Fassungen zeigen kuratorische Entscheidungen. Wer das Lied-Repertoire fokussiert hören will, greift zur 16-Track-Version. Wer die politische Reibfläche stärker spüren will, findet in der 13-Track-Version schärfere Kanten. Für Sammler ist beides reizvoll. Für Einsteiger reicht eine Fassung. Die Substanz ist in beiden klar erkennbar.
Sie mögen klare Sprache und eine raue Stimme? Sie suchen Lieder, die mehr tun als trösten? Dann lohnt sich dieses Album. Sie finden eine Schule des Zuhörens. Sie finden einen Beweis, dass Kunst Gespräch braucht. Auch wenn es weh tut. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang gibt Ihnen eine Landkarte. Nicht für eine Ideologie. Für den Weg durch Wirrnis und Widerspruch.
Wenn Sie sich für die Geschichte der Liedermacher interessieren, ist das ein Pflichtstück. Wenn Sie Pop lieben, bietet die Platte Reibung und Relief. Wenn Sie sich an langen Sprechpassagen stoßen, nehmen Sie sich Zeit. Hören Sie in Etappen. Das Werk tröstet, ärgert, klärt und öffnet.
Gibt es Schwächen? Ja. Einige Diskussionen sind zeitgebunden. Ohne Kenntnis der Zusammenhänge wirken sie zäh. Manche Pointen sind heute stumpfer. Es gibt Längen, vor allem in der Mitte. Auch die Tonqualität schwankt. Doch die Stärken überwiegen. Die Mischung aus Kunst und Bürgerlichkeit ist selten. Sie trägt. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang ist gerade wegen seiner Ecken wertvoll.
Ein zweiter Einwand: Der Anteil der Rede sei zu hoch. Das stimmt, wenn Sie ein reines Song-Album erwarten. Aber das ist nicht der Plan. Die Rede macht die Lieder größer. Sie baut einen Raum. In dem Raum leuchten die Songs heller. So wird die Form zur Aussage.
Am Ende bleibt das Bild eines Künstlers, der sein Publikum ernst nimmt. Er stellt es nicht vor sich, sondern neben sich. Er zeigt seine Werkzeuge. Er zeigt seine Wunden. Das ist selten. Das ist stark. Sie hören einen Abend, der aus der Zeit gefallen ist. Und der heute wieder ankommt. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang ist mehr als ein Albumtitel. Es ist ein versetzter Takt. Er hält bis heute an.
Wenn Sie nur eine Erkenntnis mitnehmen, dann diese: Kunst kann Denken befreien. Nicht durch Parolen. Durch Form, Mut und Gespräch. Dieses Album zeigt, wie das geht. Es ist ein Klangraum für Kritik und Zuwendung. Das macht es groß. Das macht es nötig.
Dieses Werk ist keine leichte Kost. Es ist eine nahrhafte Mahlzeit. Es stärkt den Blick und das Ohr. Es zeigt, wie Lieder wirken, wenn sie in ein Gespräch eingebettet sind. Es zeigt, wie eine Stimme einem Raum Richtung gibt. Und es zeigt, dass Mut und Maß sich nicht ausschließen. Wolf Biermann Das geht sein’ sozialistischen Gang verdient daher einen Platz in Ihrer Sammlung. Nicht im Regal ganz oben. Sondern in Griffweite. Für Tage, an denen Sie Haltung brauchen. Für Nächte, in denen Sie wissen wollen, wie man aufrecht bleibt.
Das Album "Das geht sein’ sozialistischen Gang" von Wolf Biermann ist ein bedeutendes Werk in der deutschen Musikgeschichte. Es spiegelt die politische und gesellschaftliche Lage der damaligen Zeit wider. Wolf Biermanns kritische Texte und seine einzigartige Stimme machen das Album zu einem wichtigen Zeitdokument. Wenn Sie mehr über Wolf Biermann erfahren möchten, empfehle ich Ihnen den Artikel Wolf Biermann Zu Gast bei Wolfgang Neuss - West. Hier wird ein weiteres Kapitel aus seinem Leben beleuchtet.
Die politische Dimension von Biermanns Werk ist nicht zu unterschätzen. Seine Lieder und Gedichte sind oft eine scharfe Kritik an den politischen Zuständen. Ein weiteres spannendes Werk von ihm ist das Album Wolf Biermann Lieder vom preussischen Ikarus. Dieses Album zeigt Biermanns Fähigkeit, komplexe Themen in eingängige Melodien zu verpacken.
Wolf Biermann hat mit seiner Musik viele Menschen inspiriert und beeinflusst. Ein weiterer interessanter Artikel ist Wolf Biermann Nur wer sich ändert. Hier wird ein weiteres seiner Werke ausführlich besprochen und analysiert. Diese Artikel bieten Ihnen einen tiefen Einblick in das Schaffen eines der bedeutendsten deutschen Liedermacher.