Letztes Update: 04. Oktober 2025
In unserer Rezension zu Reinhard Meys Album Alles geht! zeichnen wir die Stimmung des Werks nach, heben markante Lieder hervor und analysieren Text und Arrangement. Sie erfahren, wo das Album ĂŒberzeugt, wo es zurĂŒckhaltender wirkt und fĂŒr welche Hörer es besonders empfehlenswert ist.
Dieses Album kam 1992. Die Welt war im Umbruch. In Deutschland war die Einheit noch frisch. Es war eine Zeit voller Fragen. In diese Lage stellte sich ein ruhiger Mann mit Gitarre. Er erzĂ€hlte Geschichten, die niemanden anschreien. Er baute kleine Bilder, die lange nachklingen. Reinhard Mey Alles geht! wirkt dadurch wie ein stiller Spiegel. Kein groĂes Konzeptalbum, aber ein kluges Mosaik. Jede Szene passt. Jede Pointe landet. Und doch bleibt Platz fĂŒr Zweifel und Weite.
Das Jahr 1992 trug Euphorie und MĂŒdigkeit. Die Mauer war weg, die Folgen blieben. Neue Freiheiten trafen auf alte Sorgen. Auch die Popwelt suchte ihren Ton. Techno wurde laut. Rock war roh. Und dann war da diese Stimme, leicht und klar. Sie sang ohne Pomp. Sie vertraute Text und Rhythmus. Reinhard Mey Alles geht! setzt genau dort an. Es schaut hin, ohne zu werten. Es fasst an, ohne zu drĂŒcken. Dieses MaĂ ist die Kunst.
Die Platte altert gut. Das liegt am Material. Die Themen sind nah am Leben. Familie, Arbeit, Politik, Witz. Das ist zeitlos, wenn man ehrlich bleibt. Mey macht das. Er baut keine Parolen. Er lĂ€sst Raum fĂŒr Sie als Hörer. Reinhard Mey Alles geht! lĂ€dt zum Mitdenken ein. Kleine Details wecken Erinnerungen. Ein Blick, ein Duft, ein GerĂ€usch. Daraus entstehen klare Bilder. Die Songs werden so zu Begleitern im Alltag.
Die Produktion ist schlicht. Gitarre, Stimme, sparsame Farben. Genau genug, nie zu viel. Das Tempo bleibt meist ruhig. Pausen atmen. Das stĂ€rkt die Texte. Wer zuhört, bemerkt die Balance. Nichts drĂ€ngt in den Vordergrund. Alles dient der Geschichte. Auch darin liegt der Reiz. Reinhard Mey Alles geht! vertraut auf die Kraft des Wenigen. Diese Disziplin prĂ€gt den Klang. Sie macht die Platte bestĂ€ndig. Und sie fordert Ihre Aufmerksamkeit, ohne Druck auszuĂŒben.
Mey schreibt in Bildern, die man versteht. Kein fremdes Pathos. Kein Dekor. Viele Refrains sind schlicht. Jeder Vers trÀgt. Humor taucht oft auf, aber nie als Witz des Tages. Er setzt Nadelstiche. Danach kommt Nachklang. Das zeigt Respekt vor dem Publikum. Und es erklÀrt die NÀhe, die diese Lieder erzeugen. Reinhard Mey Alles geht! ist deshalb auch ein Sprachalbum. Es feilt an Nuancen. Es sucht das rechte Wort. Es findet es fast immer.
Der Auftakt mit "Du bist ein Riese, Max!" ist warm. Er feiert Kindheit und Blickhöhe. Es ist kein Zuckerguss. Es gibt auch Unsicherheit. Doch die Liebe bleibt lautlos stark. Der Song steht damit fĂŒr den Ton des Albums. Einfache Worte, echter Gehalt. Danach folgt "Ich liebe dich". Dieser Titel hĂ€tte leicht kippen können. Zu groĂ, zu weich, zu bekannt. Hier aber sitzt alles. Der Text ist klar. Die Melodie hĂ€lt den Puls. Reinhard Mey Alles geht! nimmt die groĂe Geste und macht sie klein. Dadurch wird sie glaubwĂŒrdig.
"Grenze" blickt ĂŒber ZĂ€une und in Köpfe. Er vermeidet die groĂe Rede. Stattdessen zeigt er Folgen. Eine Grenze trennt nicht nur Land. Sie teilt Leben. Der Song bleibt leise und ist doch deutlich. "Peter" ist lĂ€nger, erzĂ€hlerisch, fast prosaisch. Er folgt einer Figur mit Bruchkanten. Freundlich, aber nicht blind. Hier wirkt Mey wie ein Chronist. Er hört zu und formt daraus ein Lied. Beides zeigt die StĂ€rke von Reinhard Mey Alles geht! Es mischt ErzĂ€hlung und Haltung so, dass Sie sich ein Bild machen können.
Die Satire blitzt, wenn man sie braucht. "Die WĂŒrde des Schweins ist unantastbar!" setzt auf Ăbertreibung. Dahinter steckt ein ernstes Thema. Es geht um Doppelmoral. Um Etiketten und Taten. Die Pointe sitzt. "Dunkler Rum" spielt mit Lust und Last. Das Glas wird Sinnbild. Nicht nur fĂŒr Genuss. Auch fĂŒr Flucht. Der Ton bleibt höflich. Der Stich ist klar. So hĂ€lt Reinhard Mey Alles geht! die Balance zwischen Lachen und Denken. Sie merken es spĂ€ter, wenn die Zeilen nachgehen.
"Das Etikett" trifft ein altes Problem. Wie viel bin ich? Wie viel sehen die anderen? Der Song tanzt auf dieser Linie. Er nutzt leichte Reime. Und er fragt beharrlich. Am Ende bleibt ein mildes LĂ€cheln. Doch das Thema haftet. Es passt in eine Zeit der neuen Namen nach der Wende. Es passt auch heute in Social Media. Reinhard Mey Alles geht! hat diesen Blick voraus. Nicht als Prophetie, eher als Menschenkenntnis.
"Elternabend" ist kurz. Und genau. Jeder, der je in so einem Raum saĂ, kennt die Figuren. Es ist Kammerspiel und Karikatur. Mit wenig Strichen entsteht eine ganze BĂŒhne. Lachen ist erlaubt. Wieder folgt ein kleiner Stich. Denn am Ende bleibt die Frage: Wer hört wem zu? Genau solche StĂŒcke lockern die Platte auf. Sie geben Atempausen. Und sie zeigen, wie fein Reinhard Mey Alles geht! dosiert ist. Der Humor dient dem Blick. Er verdrĂ€ngt nicht.
Ein Jahr nach der Einheit stellt Mey Beobachtungen an. Keine Heldensaga. Eher ein Tagebuch. Da sind Freuden, aber auch Risse. Der Song hĂ€lt beides aus. Er dokumentiert, ohne Rezepte zu liefern. So wird er zur Quelle fĂŒr Stimmung. Man spĂŒrt das Schwanken der Zeit. Das macht den Wert dieser Aufnahme. Reinhard Mey Alles geht! ist in solchen Momenten fast journalistisch. Doch der Autor bleibt Poet. Er lĂ€sst GefĂŒhle stehen, auch wenn sie widersprĂŒchlich sind.
Das StĂŒck ĂŒber das Ălterwerden ist eines der feinsten hier. Es nimmt das Thema mit Witz. Es wehrt die Angst nicht ab. Aber es nimmt ihr das Monströse. Der Refrain ist ein Augenzwinkern. Die Strophen sind kleine Inventuren. Was bleibt, was geht, was wird? Diese Fragen sind ehrlich. Sie kommen ohne Drama aus. Genau so gelingt ein Song ĂŒber das Leben. Und genau so bleibt Reinhard Mey Alles geht! menschlich, auch wenn es um groĂe Lebensmarken geht.
Wetter ist selten nur Wetter. Hier wird es zum Stimmungsbarometer. Es tropft, es weht, es nervt. Doch im Humor liegt Trost. Man lacht, und schon wird es heller. Der Song ist ein kurzer Reset. Danach kann es weitergehen. Das Arrangement hÀlt den Drive. Gitarre, Groove, ein Hauch von Spott. Es passt in die Dramaturgie. Reinhard Mey Alles geht! platziert solche Nummern klug. Sie geben Struktur. Sie halten den Fluss lebendig.
Gegen Ende wird es stiller und weit. "Ich liebe das Ende der Saison" ist ein Herbstlied. Es feiert Leere und Licht. Man hört See und Holz. Man riecht den Wind. Der RĂŒckzug ist kein Verlust. Er ist eine Chance. Loslassen, sortieren, neu sehen. Danach kommt "Ich liebe dich" noch einmal, als Piano-Version. Das ist mutig und richtig. Es zeigt den Kern des Materials. Dieselben Worte, ein neuer Raum. So endet Reinhard Mey Alles geht! mit einem sanften Nachhall. Er bleibt lange im Ohr.
Bei Erscheinen fand die Platte ein treues Publikum. Die Kritiken hoben die Texte hervor. Manche wĂŒnschten mehr Band. Andere lobten die Ruhe. Beides ist verstĂ€ndlich. Die StĂ€rke liegt dennoch im MaĂ. Wer zuhören will, wird belohnt. Das gilt heute sogar mehr als damals. Denn Tempo und LĂ€rm sind gestiegen. Reinhard Mey Alles geht! wirkt da wie eine Insel. Man kann landen, aussteigen, weitersehen. Danach kehrt man ruhiger in den Tag zurĂŒck.
In Meys Diskografie markiert dieses Album eine BrĂŒcke. Es steht fest auf der Liedermacher-Tradition. Doch es beobachtet die neue Zeit genau. Es ist weniger rau als frĂŒhere Arbeiten. Es ist auch nicht so poliert wie spĂ€tere. Es findet die Mitte. Gerade deshalb ist es ein guter Einstieg. Und fĂŒr Kenner ist es ein ruhiger Fixpunkt. Die Themenfamilie hier trĂ€gt weit ins Werk. Viele Motive kehren wieder, nur anders gefĂ€rbt. Das macht Reinhard Mey Alles geht! zu einem Knotenpunkt. Wer das Album kennt, versteht Linien im SpĂ€twerk besser.
Die Reihenfolge der StĂŒcke wirkt bedacht. Es ist wie ein Spaziergang durch einen Tag. FrĂŒh beginnt es privat. Dann weitet sich der Blick. Am Abend wird es still. Unterwegs liegen Witzecken und Weggabeln. Diese Abfolge macht das Hören leicht. Man kann stoppen und spĂ€ter weitergehen. Oder alles in einem Zug hören. Beides funktioniert. Das ist nicht selbstverstĂ€ndlich. Reinhard Mey Alles geht! zeigt, wie Albumdramaturgie helfen kann. Besonders in einer Zeit, in der Singles dominieren.
Das Handwerk zeigt sich in Details. Alliterationen sind sparsam. Bilder sind prĂ€zise, nicht pompös. Metaphern tragen, aber sie schleppen nicht. Reime sind oft schlicht und sitzen. Die Stimme bleibt unaufgeregt. Genau darin liegt die Wirkung. Denn dann spricht das Ohr weiter. Was gesagt ist, schwingt nach. So werden kleine Begebenheiten groĂ. So wird ein Elternabend zur Welt. So wird Wetter zur Haltung. So wird ein Name zu einer Geschichte. Reinhard Mey Alles geht! schafft diese VergröĂerung ohne Tricks.
Wer die Platte heute streamt, hört mehr als Nostalgie. Man hört eine analoge Haltung. Sie steht fĂŒr Geduld und Genauigkeit. Das ist kein Widerstand gegen Technik. Es ist ein Gegengewicht. Man darf es langsam angehen. Man darf sich Zeit nehmen. Diese Erlaubnis ist ein Geschenk. Deshalb lohnt es, die CD-Version komplett zu hören. Mit Booklet und Pausen. Reinhard Mey Alles geht! gewinnt im Ganzen. Einzelne Songs tragen, aber das Album atmet als Form.
Dieses Album ist kein GroĂereignis. Es ist eine Einladung. Sie fĂŒhrt in die NĂ€he der Dinge. Sie lĂ€sst lachen, aber nicht aus Hohn. Sie lĂ€sst denken, aber nicht aus Pflicht. Die Musik bleibt einfach, doch nie einfĂ€ltig. Der Text fĂŒhrt, doch nie mit Zwang. So entsteht ein Werk, das Sie lange tragen können. Wer Ruhe sucht, findet sie. Wer Anregung will, bekommt sie. Wer beides erwartet, wird ĂŒberrascht. Reinhard Mey Alles geht! fasst das mit einem Satz. Alles geht, wenn man genau hinsieht. Das gilt 1992. Es gilt heute. Und es wird auch morgen gelten.
Reinhard Mey hat mit seinem neuen Album "Alles geht!" wieder einmal bewiesen, warum er zu den bedeutendsten Singer-Songwritern Deutschlands gehört. Die Mischung aus tiefgrĂŒndigen Texten und eingĂ€ngigen Melodien macht dieses Werk zu einem echten Highlight. Wenn Sie mehr ĂŒber Reinhard Meys musikalische Reise erfahren möchten, empfehle ich Ihnen den Artikel Reinhard Mey Unterwegs. Hier finden Sie eine ausfĂŒhrliche Kritik und Vorstellung eines seiner frĂŒheren Alben.
Ein weiteres bemerkenswertes Album von Reinhard Mey ist "Freundliche Gesichter". Auch hier zeigt Mey seine FĂ€higkeit, Emotionen und Geschichten in Musik zu verwandeln. FĂŒr eine detaillierte Kritik und weitere Informationen zu diesem Album besuchen Sie bitte Reinhard Mey Freundliche Gesichter. Dieses Werk ist ein Muss fĂŒr jeden Fan und bietet tiefe Einblicke in Meys kĂŒnstlerisches Schaffen.
AbschlieĂend möchte ich Ihnen noch das Live-Album "Zwischen ZĂŒrich und zu Haus" ans Herz legen. Dieses Album fĂ€ngt die besondere AtmosphĂ€re von Meys Konzerten ein und zeigt seine beeindruckende BĂŒhnenprĂ€senz. Lesen Sie mehr darĂŒber in unserem Artikel Reinhard Mey Zwischen ZĂŒrich und zu Haus: Live. Es ist eine wunderbare ErgĂ€nzung zu "Alles geht!" und zeigt eine weitere Facette von Meys musikalischem Talent.