Letztes Update: 17. September 2025
Der Artikel stellt das Album Edition française, volume 1 von Reinhard Mey vor und bietet eine fundierte Kritik. Dabei wird besonders auf die neue Interpretation französischer Chansons eingegangen und deren künstlerischer Wert beleuchtet.
Dieses Album ist eine kleine Reise über Grenzen hinweg. Es zeigt, wie nah sich Sprachen und Stile sein können. Und es beweist, wie klug ein Liedermacher sein Repertoire neu denken kann. Reinhard Mey Edition française, volume 1 ist mehr als ein Ausflug in ein anderes Idiom. Es ist ein Blick in einen Spiegel. Der Blick zeigt eine vertraute Stimme, doch in einem neuen Licht. Das Ergebnis klingt überraschend schlicht. Es wirkt aber nie schlicht gedacht. Das macht den Reiz dieser Platte aus.
1973 war für den Chanson ein sensibler Moment. Wandel lag in der Luft. Brel hatte die Bühne verlassen. Brassens stand als Monument da. Junge Stimmen suchten ihren Raum. In dieser Lage tritt ein deutscher Autor auf, singt in Frankreich und singt auf Französisch. Das ist mutig. Es ist aber auch sehr folgerichtig. Denn Mey schrieb schon immer mit Respekt vor der Sprache. Er weiß, wie Worte klingen. Er kennt die Wirkung der Pause. Und er ahnt, was ein stilles Bild im Kopf anrichtet. In Reinhard Mey Edition française, volume 1 bildet sich diese Haltung klar ab.
Das Album erscheint auf 12-Zoll-Vinyl. Es umfasst 13 Titel. Die Spielzeiten liegen meist unter drei Minuten. Die Form ist also knapp. Das passt zur Epoche und zum Genre. Doch der Clou steckt im Ansatz. Mey nutzt das Französische nicht als Maske. Er will nicht imitieren. Er will kommunizieren. Mit einfachen Worten, in ruhiger Stimme, nah am Ohr. So führt die Platte das intime Format des deutschen Liedes in die Sprache der Nachbarn. Diese Wendung hat Charme. Und sie hat Gewicht. Sie verknüpft Traditionen, statt sie zu mischen.
Wer den Kontext bedenkt, erkennt die Pointe. 1973 wächst die Sehnsucht nach einer europäischen Kultur, die nicht nur verhandelt, sondern erlebt wird. Ein solcher Moment braucht Brücken. Genau so wirkt Reinhard Mey Edition française, volume 1: wie eine kleine, belastbare Brücke über einen vertrauten Fluss. Sie gehen hinüber, schauen zurück, und nichts fällt auseinander.
Meys Methode ist klar. Er setzt auf die Gitarre, auf den Atem, auf das Bild. Kein Bombast, keine Dekoration. Die Worte führen. Die Akkorde tragen. Darin bleibt er sich treu. Neu ist die Klangfarbe der Vokale, die Sanftheit der französischen Silben, das Spiel mit offenen Endungen. Er phrasiert in kurzen Bögen. Er hält inne, bevor ein Reim kommt. Er lässt Sätze ausklingen, als wären sie Fragen. Auch das ist nicht neu bei ihm. Doch in der anderen Sprache wirkt es wie neu entdeckt. So schöpft er aus dem Eigenen und zeigt es anders. Genau darin liegt der Reiz von Reinhard Mey Edition française, volume 1.
Die Aufnahme bleibt dicht am natürlichen Klang. Man hört die Finger auf den Saiten. Man spürt den Raum. Die Gitarre sitzt in der Mitte. Die Stimme ist trocken, nur leicht umhüllt. Es gibt kleine Farbtöne, vielleicht dezente zweite Gitarren oder sparsame Töne im Hintergrund. Doch nichts drängt sich vor. Das passt zum Material. Diese Lieder wollen Luft um sich. Sie sollen atmen. Sie sollen nicht betören, sondern begegnen. Dieser Ansatz wirkt heute fast modern. Denn er vertraut dem Hörer. Er lässt Platz für eigene Bilder. Er lädt dazu ein, die Nadel hinzulegen, sich zu setzen und Zeit zu haben.
Die Reihenfolge der Stücke ist klug gewählt. Sie führt von Nähe zu Weite. Der Start wirkt persönlich, ja privat. Ein Stuhl rückt an den anderen. Dann kommen Rückblick, Zweifel, Dringlichkeit. Es geht um Zeit, um Maß, um Bindung. Später tritt der Tod ins Bild, aber ohne Geste. Die letzten Nummern sammeln die Splitter. Der Schluss öffnet einen Kalender und klappt ihn wieder zu. So entsteht ein Bogen ohne großes Pathos. Er funktioniert leise. Er bleibt doch deutlich. Die Platte endet nicht im Schock, sondern in einem offenen Atem. Das hinterlässt eine lang anhaltende Stimmung, die auch bei erneutem Hören nicht verfliegt.
Es lohnt, jeden Titel kurz zu betrachten. Denn in der Summe entsteht ein feines Mosaik. Reinhard Mey edition française zeigt darin sein Handwerk. Er baut Szenen, die wie Zimmer wirken. Jedes hat ein Fenster. Jedes öffnet sich auf eine andere Landschaft. Die 13 Räume sind eigen, doch sie sprechen miteinander. Auf der LP wird das zum Spaziergang. Man wandert von Tür zu Tür, und nichts wirkt beliebig. In dieser Ordnung liegt die stille Kraft von Reinhard Mey Edition française, volume 1.
Los geht es mit "Approche ton fauteuil du mien" (02:25). Schon der Titel ist eine Geste. Es ist eine Bitte, aber auch eine Verheißung. Der Song fokussiert auf eine kleine Bewegung. Dieses Motiv setzt den Ton. Es folgt "C’était une bonne année je crois" (03:05). Rückblick, ja. Doch kein Rausch, keine Bilanz. Eher ein vorsichtiger Blick zurück. Es klingt nach Alltag und nach einer Haltung, die den Alltag ernst nimmt. Mit "Songez que maintenant" (02:55) geht der Blick nach vorn. Das Jetzt steht im Raum. Da ist eine milde Dringlichkeit. Sie trägt das Stück. Hier zeigt sich die zentrale Idee von Reinhard Mey Edition française, volume 1: ein Album über Zeit, Nähe und Achtsamkeit.
"Jamais assez" (02:20) nimmt das Thema Maß auf. Es geht um Mangel, um das Nie-Genug. Mey hält das Tempo knapp. Er drückt nichts auf. So spürt man den Druck umso mehr. "Encore combien de temps" (03:10) richtet eine Frage an die Zukunft. Wie lange noch? Der Refrain wirkt wie ein Seufzer. "Rencontre" (03:10) bricht die Zeitkurve. Eine Begegnung macht das Zählen zunichte. Hier leuchtet die Wärme. Sie kommt ohne große Worte. Sie entsteht aus der Stimme und dem ruhigen Puls. All das fügt sich in den Spannungsbogen, den Reinhard Mey Edition française, volume 1 mit sanfter Hand zeichnet.
"Une cruche en pierre" (02:10) ist eines der schönsten Stücke auf der Platte. Ein Ding steht im Raum. Es trägt Erinnerungen, Vielleicht Wasser, vielleicht Worte. Das Bild wirkt robust und zart zugleich. "Il me suffit de ton amour" (02:45) scheint klar in der Aussage. Doch das Stück kennt die Grenzen großer Sätze. Es spricht leise von Genug und Nichtgenug. Danach kommt "Christine" (02:55). Ein Name kann ein ganzes Zimmer sein. Das Lied bleibt offen. Es vermeidet Klischees. Dadurch gewinnt es Tiefe. So festigt sich der Eindruck, dass Reinhard Mey Edition française, volume 1 die Kraft der kleinen Bilder feiert.
Mit "La Mort du pauvre homme" (03:10) betritt der Tod die Szene. Nüchtern. Respektvoll. Kein dramatischer Schnitt, kein lauter Schluss. Es ist eine Beobachtung, die unter die Haut geht. "La Petite Fille" (02:55) schaut auf Kindheit. Das Lied meidet Süßlichkeit. Es hält einen Ton, der zärtlich und wach ist. "Je n’ai connu que toi" (02:05) wirkt wie ein Bekenntnis. Doch es ist nicht großspurig. Es bleibt persönlich und konkret. Den Abschluss bildet "Un jour, un mois, un an" (02:25). Zeit wird zur Serie von Markierungen. Der Song klappt das Album zu, ohne es fest zu versiegeln. Man will noch einmal von vorn hören. Genau das ist die stille Kunst von Reinhard Mey Edition française, volume 1.
Meys Französisch ist klar, warm und respektvoll. Man hört, dass er um die richtige Silbe ringt, aber nie verkrampft. Der leichte Akzent ist Teil der Farbe. Er stört nicht. Er hilft sogar. Denn er legt eine zarte Distanz über die Texte. Diese Distanz öffnet Raum. Die Stimme bleibt nah, fast erzählerisch. Sie sucht nicht die große Geste. Sie vertraut dem Tonfall und der Präzision. In ruhigen Passagen zieht sie den Hörer ins Innere. Bei betonten Silben setzt sie kleine Marker. So entsteht ein Fluss, der natürlich wirkt. Die Worte gleiten. Die Bilder bleiben. Das trägt die Platte. Und es prägt das Profil von Reinhard Mey Edition française, volume 1 in einzigartiger Weise.
Die französischen Texte sind keine bloßen Übertragungen. Sie atmen wie eigene Werke. Das zeigt sich in den Bildern, in der Syntax, im Rhythmus. Mey weiß, dass die Musik der Sprache im Satz beginnt. Er achtet auf Übergänge. Er nutzt die Melodie als zweite Erzählebene. Dadurch bleiben die Lieder in der französischen Fassung nicht blass. Sie gewinnen Eigenleben. Die Themen sind universell. Nähe, Zeit, Erinnerung, Verlust. Doch die Form ist lokal. So verankert er jeden Song in einer realen Sprachwelt. Das verbessert die Glaubwürdigkeit. Und es schützt vor Folklore. Statt einer Postkarte aus Frankreich hören Sie Chanson, das hier und heute stattfindet.
Die Platte steht nicht im luftleeren Raum. Sie spricht mit Vorbildern und Nachbarn. Man kann die Nüchternheit von Brassens spüren, den Blick für das Einfache. Man hört den Hang zu stillen Geschichten. Aber es fehlt der Biss der Ironie. Hier ist Mey anders. Er stellt die Zärtlichkeit vor die Pointe. Man kann auch die Melancholie eines Moustaki ahnen. Doch Meys Ton ist weniger weich. Er will Klarheit, nicht Dunst. Auch die Schatten von Brel sind fern, denn Mey sucht nicht den Sturm. Er meidet das Drama. Er glaubt an das kleine innere Erdbeben. In dieser Balance liegt seine eigene Handschrift. Sie fügt sich gut in die große Reihe. Sie behauptet zugleich eine eigene Spur.
Das Gerät, auf dem Sie spielen, beeinflusst das Hören. Die LP verlangt eine Entscheidung: Seite A, Seite B. Sie teilt den Bogen in zwei Kapitel. Das unterstützt die Dramaturgie. Nach "Rencontre" oder "Christine" kann ein kurzer Gang zur Anlage gut tun. Dann setzt "La Mort du pauvre homme" seinen Kontrapunkt. Der Wechsel der Seiten ist Teil des Erlebnisses. Auch das Knistern spielt mit. Es stört nicht, es erdet. Die Intimität der Aufnahme und die Haptik der Platte passen zusammen. Wer die Lieder heute streamt, sollte die Reihenfolge dennoch respektieren. So bleibt das Maß der Stücke erhalten. Der Weg durch das Album ergibt dann Sinn.
Die Gitarre ist nicht nur Begleitung. Sie führt Gespräche mit der Stimme. Kleine Wechselbässe halten den Puls. Arpeggien malen Schatten. Hier und da blitzen helle Töne auf, wie Licht auf Wasser. Die Atemführung ist Teil der Musik. Man hört das Holen der Luft vor einer Zeile. Das wirkt nicht technisch. Es wirkt menschlich. Die Pausen sind gezielt gesetzt. Sie schneiden in die Form, doch behutsam. Es entsteht der Eindruck eines Live-Moments, auch im Studio. Das erhöht die Präsenz. Es lässt die Stücke wachsen, obwohl sie kurz sind. Das ist hohe Schule des Weniger.
Kein Werk ohne Kanten. Manches Stück wirkt sehr nah verwandt mit dem Nachbarn. Zwei, drei Harmoniefolgen wiederholen sich. Das kann müde machen, wenn man auf Abwechslung hofft. Auch der konsequente Verzicht auf Schlagzeug oder Tasten färbt die Dramaturgie. Eine kleine Klangfarbe mehr hätte an zwei Stellen gut getan. Dennoch überwiegt das Gute deutlich. Die Sprache sitzt. Die Bilder leuchten. Der Fluss stimmt. Die Kürze der Songs lädt zum Wiederhören ein. Und das Album gewann dabei an Tiefe. Auf lange Sicht zeigt sich die Tragfähigkeit des Ansatzes. Für heutige Hörer bleibt Reinhard Mey Edition française, volume 1 eine Einladung zum aufmerksamen Lauschen.
Wenn Sie Chanson lieben, aber keine große Geste suchen, sind Sie hier richtig. Wenn Sie neugierig sind, wie ein deutscher Liedermacher auf Französisch klingt, erst recht. Wer die Arbeit an Details schätzt, wer Sinn für stille Dramaturgie hat, wird reich belohnt. Und wenn Sie 1970er-Jahre-Produktionen mögen, die nah am Mikrofon bleiben, ist es ein Glücksfall. Diese Platte fordert wenig Vorwissen, aber viel Aufmerksamkeit. Sie belohnt jeden, der sich Zeit nimmt. Sie ist gut für den Morgen, noch besser für den Abend. Sie passt zu einem stillen Zimmer. Sie passt auch zum Weg im Zug. Kurz: Sie ist leise, doch sehr lebendig.
Das Album markiert in Meys Laufbahn einen wichtigen Punkt. Es beweist sein Vertrauen in Sprache als Material. Es zeigt die Weite seiner Themen. Es stärkt sein Profil als Autor, der Grenzen übertritt, ohne sich zu verlieren. Später wird er auf Deutsch wieder sehr genau klingen. Doch die Erfahrung aus dem Französischen bleibt hörbar. Der Rhythmus der Sätze wird noch bewusster. Die Bilder werden knapper, aber klarer. So weist die Platte nach vorn. Und sie spricht zu einer Idee von Europa, die nicht nur politisch ist. Sie ist persönlich, sie ist poetisch, sie ist konkret.
Am Ende bleibt ein Bild: Zwei Stühle, die nah beieinander stehen. Jemand erzählt. Jemand hört zu. Mehr braucht es nicht. Dieses Album vertraut auf das Wenige und gewinnt das Ganze. Es ist eine Schule der Aufmerksamkeit. Es ist auch eine kleine Feier der Zweisprachigkeit, ohne Dogma, ohne Dekor. In jedem Lied steckt ein offenes Fenster. Draußen verändert sich das Licht. Drinnen bleibt die Stimme ruhig. Wer diese Ruhe sucht, wird sie hier finden. Damit behauptet sich Reinhard Mey Edition française, volume 1 als ein stiller, aber tragender Pfeiler im Werk. Es ist ein Album, das Sie nicht laut liebt. Es liebt Sie leise. Und genau deshalb bleibt es.
Reinhard Mey hat mit seinem Album "Edition française, volume 1" erneut bewiesen, dass er ein Meister des Chansons ist. Die Lieder sind voller Emotionen und Geschichten, die den Hörer in ihren Bann ziehen. Meys sanfte Stimme und die einfühlsamen Texte machen dieses Album zu einem besonderen Erlebnis. Wenn dir dieses Album gefallen hat, wirst du sicher auch "Reinhard Mey Edition française, volume 7" lieben. Reinhard Mey Edition française, volume 7 setzt die Reihe fort und bietet weitere musikalische Perlen.
Ein weiteres Highlight in der Welt des Chansons ist das Album "Wenn du so bist wie dein Lachen" von Ina Deter. Ihre kraftvolle Stimme und die tiefgründigen Texte sind ein Muss für jeden Liebhaber dieser Musikrichtung. Mehr über dieses Album erfährst du in der Ina Deter Wenn du so bist wie dein Lachen Kritik.
Wenn du dich für die Werke von Franz Josef Degenhardt interessierst, solltest du dir sein Album "Liederbuch Franz Josef Degenhardt - Von damals und von dieser Zeit" nicht entgehen lassen. Degenhardt ist bekannt für seine politischen und gesellschaftskritischen Texte, die auch heute noch aktuell sind. In der Franz Josef Degenhardt Liederbuch Franz Josef Degenhardt - Von damals und von dieser Zeit Kritik erfährst du mehr über dieses beeindruckende Werk.