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Reinhard Mey Edition française, volume 3 – Rezension und Einordnung

Reinhard Mey Edition française, volume 3 – Rezension und Einordnung

Letztes Update: 17. September 2025

Vorstellung von Reinhard Meys 'Edition française, volume 3': Wir beleuchten die französischen Versionen, Arrangements und Meys Interpretation. Sie erhalten eine knappe Kritik zu Stimme, Liedauswahl und Übersetzungen sowie eine Empfehlung.

Edition française, volume 3 – Reinhard Meys französische Schule des Liedes

Ein Album als Grenzgänger zwischen Chanson und Lied

1974 erschien ein Werk, das zwei Welten verbindet. Edition française, volume 3 trägt die Handschrift eines Künstlers, der sich im Deutschen wie im Französischen zu Hause fühlt. Es ist ein Album, das die Poesie des Chansons atmet und dabei die Klarheit des Liedermachers bewahrt. Sie hören hier keine große Show. Sie hören Stimme, Gitarre und gezielte Arrangements. Alles steht im Dienst der Worte. Vor allem aber spüren Sie, wie sehr Reinhard Mey das französische Publikum ernst nimmt.

Die Platte hat zwölf Titel, verteilt auf eine klassische 12-Zoll-Vinyl. Die Laufzeiten sind knapp. Kaum ein Stück überschreitet vier Minuten. Doch die Kürze ist keine Schmälerung. Sie ist Konzept. Jeder Song kommt auf den Punkt. Bilder entstehen schnell und bleiben. So erweist sich die Struktur als Teil der Erzählkunst. Das Ergebnis ist eine Folge kleiner Szenen, die sich zu einem Ganzen fügen.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 im Überblick

Reinhard Mey Edition française, volume 3 ist mehr als eine Sammlung französischer Versionen. Es ist eine Haltung. Der Künstler spiegelt sein deutsches Repertoire in einer zweiten Sprache. Doch er übersetzt nicht nur. Er adaptiert. Er richtet den Blick neu aus. Viele Themen wirken dadurch anders. Nicht fremd, sondern erweitert. So wird die Platte zu einer Schule des Hörens, in der Sie Ihr Bild von Mey frisch sortieren.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 nimmt den Chanson ernst. Typisch sind präzise Silben, klare Betonungen und eine melodiöse Linie, die sich nicht vordrängt. Die Gitarre führt. Begleitstimmen und leichte Streicher tauchen punktuell auf. Das alles klingt warm und nah. Die Produktion meidet Effekte. Sie lässt Raum. So passt der Klang zur Zeit. 1974 war analoges Handwerk Standard. Hier hören Sie dieses Handwerk in beständiger Form.

Der Rahmen: Berlin trifft Paris

Wenn ein Liedermacher die Sprache wechselt, zeigt sich seine Methode. Bei Mey ist die Methode schlicht. Er baut auf Erzählung, Tempo und Tonfall. Er verzichtet auf Posen. Gerade das macht die französischen Fassungen interessant. Sie sind keine Masken. Sie sind Zwillingsstücke. In beiden Sprachen bleibt die Haltung dieselbe. Die Details verschieben sich, doch das Herz schlägt gleich.

In Reinhard Mey Edition française, volume 3 entsteht so ein Raum zwischen Berlin und Paris. Der Blick wechselt. Orte und Figuren bekommen eine andere Kontur. Das ist kein Trick. Es ist die Stärke eines Künstlers, der zuhört, beobachtet und erst dann spricht. In der Folge strahlt das Album Ruhe und Gewissheit aus.

Die Kunst der Adaption

Wer Lieder überträgt, steht vor der Wahl. Folgt man dem Reim oder der Aussage? Mey löst den Konflikt mit einem Kompass: Bedeutung vor Ornament. Er sucht Wörter, die tragen. Er hält den Satz kurz. So sitzt jede Pointe. Auch die Melodie wird nicht verbogen. Sie bleibt dienlich. Das Ohr merkt, wie natürlich die Silben in die Phrasen fallen. Es klingt, als wären die Lieder immer schon in dieser Sprache gewesen.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 zeigt das eindrucksvoll. Das Album wirkt wie aus einem Guss. Nichts klingt fremd oder gestreckt. Die Geschichten stehen stabil. Worte führen, Musik stützt. Am Ende gewinnen beide.

Ein Klangbild von 1974

Die Produktion verzichtet auf Studio-Prunk. Akustische Gitarre, Bass, gelegentlich Klavier. Vielleicht eine leise Flöte oder ein Cello, doch nie prunkvoll. Die Stimmaufnahme ist trocken, sehr klar. Man hört Atem und Ansprache. Das passt zur Erzählform. Der Raum ist eng, aber warm. Das Vinyl verstärkt den Eindruck. Es schenkt dem Klang Körper und Luft. So wirkt jede Nuance nahbar.

Auf Kopfhörern tritt die Artikulation hervor. Auf einer Anlage zeigt sich die Breite der Gitarre. Beides lohnt. Sie spüren den Unterschied zwischen Strophe und Refrain, ohne dass die Lautstärke steigt. Das ist gute Handarbeit. Sie lenkt nicht ab. Sie fokussiert.

Titel für Titel: Motive, Figuren, Farben

Les lumières se sont éteintes (03:30)

Der Auftakt setzt auf Bildkraft. Das Licht geht aus, eine Stadt hält den Atem an. Es ist kein Drama mit großem Lärm. Es ist Nachdenklichkeit. Die Melodie bleibt eng geführt. Sie bäumt sich nicht auf. Dennoch wächst ein Sog. Die Gitarre schlägt ruhig. Sie führen als Hörer durch eine kleine Nacht. So beginnt die Platte mit einem Moment der Einkehr. Ein guter Start, weil er die Sinne schärft.

La Mappemonde (02:10)

Hier wird die Weltkarte zum Spielzeug. Alles fühlt sich klein und handlich an. Worte zeichnen Konturen im Kopf. Das Tempo ist flott, fast tänzerisch. Die Kürze passt. Sie nimmt die Idee ernst und zieht sie nicht in die Länge. So bleibt die Leichtigkeit intakt. Sie merken, wie sehr Mey Freude an Bildern hat. Das macht den Charme.

Mon testament (03:50)

Ein Testament im Lied ist oft pathetisch. Nicht hier. Das Stück bleibt persönlich, aber ruhig. Die Stimme sitzt nah am Ohr. Die Gitarre trägt sanft. Sie hören keinen großen Gestus. Sie hören Zuwendung. Der Text wirkt wie eine Liste von kleinen Wünschen. Das macht ihn bewegend. Die Zeit vergeht schnell. Am Ende bleibt ein Nachklang, der nicht drückt, sondern tröstet.

Il n’y a plus de hannetons (03:00)

Ein sprechender Titel, der mit einer Beobachtung spielt. Es gibt keine Maikäfer mehr, sagt die Stimme, und schon beginnt ein Faden von Erinnerungen. Humor und Milde gehen Hand in Hand. Das Arrangement hält Abstand, damit die Pointe sitzt. Hier zeigt sich Meys Blick für das Kleine. Was banal wirkt, wird wichtig. So entsteht Witz ohne Zynismus.

Gaspard (04:00)

Das längste Stück baut eine Figur auf. Gaspard wächst mit jedem Vers. Sie sehen ihn vor sich, obwohl keine großen Details fallen. Das ist Kunst der Andeutung. Die Melodie öffnet sich etwas mehr. Dennoch bleibt alles geerdet. Die vier Minuten sind gerechtfertigt. Der Bogen trägt. Ein gutes Beispiel für erzählerische Geduld.

Suzanne (02:30)

Ein zarter, schwebender Song. Die Gitarre perlt, die Stimme führt leicht. Der Name weckt Assoziationen. Doch bleiben Sie bei dem, was Sie hören. Dieses Stück lebt von Atmosphäre. Es ist eine Skizze, kein Gemälde. Gerade das macht den Reiz. Die Kürze schützt die Stimmung. Sie verfliegt nicht, sie bleibt in Erinnerung.

Après tant de temps (02:50)

Nach so viel Zeit: Der Titel deutet Melancholie an. Das Stück erfüllt die Erwartung, aber ohne Wehklagen. Es gibt Pausen, die Raum lassen. Worte fallen bedacht. Die Harmonik bleibt schlicht. Das Lied fällt nicht auf die Knie. Es steht und blickt zurück. Das ist würdevoll und sehr menschlich.

Le Politicien (03:20)

Hier kommt Satire ins Spiel. Der Ton wird schärfer, die Gitarre markanter. Der Text arbeitet mit Zuspitzung. Trotzdem kippt nichts ins Bittere. Die Kritik ist klar, aber nie hämisch. Sie merken die Freude an Sprache. Der Reim sitzt, die Pointe trifft. Ein Höhepunkt der Platte, weil er den Geist des Chansons zitiert und zugleich neu formt.

Le Vieil Ours (03:50)

Der alte Bär, das klingt nach Märchen. Doch die Metapher steht für mehr. Es geht um Alter, Ruhe, vielleicht um Schutz. Die Musik wiegt sanft. Die Stimme nimmt Wärme an. Sie spüren Nähe, ohne Pathos. Das Bild trägt weit. Ein Lied, das lang nachklingt, weil es leise ist. So unspektakulär, so stark.

Voilà les musiciens (02:50)

Ein kurzer, hellerer Moment. Vorhang auf, die Musiker sind da. Rhythmus und Gestus werden lebendig. Das Stück feiert das Handwerk. Keine Ironie, eher ein Zwinkern. Es nimmt Sie mit auf die Bühne, ohne zu prahlen. Danach versteht man die Platte noch einmal anders. Musik ist Arbeit, ist Freude, ist gemeinsames Tun. Der Song macht das spürbar.

Au-dessus des nuages (02:50)

Hier begegnen Sie einer bekannten Melodie in neuer Sprache. Über den Wolken wird zu Au-dessus des nuages. Das bleibt ein Lied über Weite und Freiheit. Der französische Text passt in Ton und Takt. Die Zeilen atmen gut. Das Leichte wird nicht schwer. Die Produktion hält sich zurück und lässt die Linie schweben. Ein Scharnierstück für das Album. Es zeigt den Kern des Projekts: ein Gedanke, zwei Sprachen, ein Gefühl.

Annabelle (02:40)

Zum Schluss eine Nahaufnahme. Ein Name wird zum Bild. Kurze Sätze, klare Kontur. Es ist ein leiser Abschied von der Platte. Kein Feuerwerk, sondern ein sanfter Ausklang. So endet das Album mit einer Geste an die Figur. Das ist klug gesetzt. Die Hörerinnen und Hörer gehen mit einem Gesicht aus der Tür.

Sprache, Duktus, Haltung

Die französische Diktion ist hier kein Fremdkörper. Mey spricht präzise. Die Konsonanten sind klar, die Vokale nicht überzogen. Er vermeidet Überbetonung. Er singt ruhig und direkt. Das wirkt vertraut. Wer seine deutschen Alben kennt, erkennt die gleiche Grundhaltung. So gelingt der Brückenschlag. In Reinhard Mey Edition française, volume 3 hören Sie keinen Touristen. Sie hören einen Gast, der die Regeln kennt und achtet.

Das ist entscheidend. Respekt prägt die gesamte Platte. Sie zeigt ihn in Wahl der Wörter, im Tempo, im Blick auf die Figuren. Nichts wirkt angeeignet. Alles wirkt erarbeitet. Damit setzt das Album ein Zeichen. Kultureller Austausch ist möglich, wenn man zuhört und sich Zeit nimmt.

Humor und Ernst: Die Balance

Viel Charme entsteht aus dem Wechselspiel. Auf Le Politicien folgt kein Klamauk, sondern ein Lächeln mit Biss. Auf Les lumières se sont éteintes folgt keine Schwere, sondern ein stilles Weitergehen. Diese Balance hält das Album zusammen. Sie ist nicht kalkuliert. Sie entsteht aus Erfahrung und Taktgefühl.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 bleibt deshalb frisch. Die Stücke sind nicht laut. Doch sie wirken lange nach. Das gilt im Privaten wie im Zeitgeschichtlichen. 1974 war eine bewegte Zeit. Die Platte kommentiert nicht direkt. Sie zeigt Haltungen. Das genügt oft, um mehr zu sagen als eine Parole.

Dramaturgie und Reihenfolge

Die Anordnung der Titel ist durchdacht. Der Auftakt in der Dämmerung, die Öffnung ins Helle, die Rückkehr zur Intimität. Dazwischen stehen Figuren und Beobachtungen. Es entsteht ein Bogen, der nie schwankt. Auch die Längen passen. Lange Erzählungen wechseln mit kurzen Skizzen. Das hält das Ohr wach. So fühlt sich die LP-Seite als Einheit an. Das ist gerade auf Vinyl wichtig, weil Pausen und Seitenwechsel den Fluss beeinflussen.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 zeigt, wie gut eine Albumdramaturgie tragen kann. Die Stücke sind eigenständig. Doch im Verbund gewinnen sie Kontur. Man legt die Platte um und weiß sofort, weshalb die Reihenfolge so ist. Das ist selten und schön.

Das Hören auf Vinyl heute

Wer die Platte heute findet, sollte die analoge Form auskosten. Ein sauber justierter Tonabnehmer bringt die Stimme nah heran. Ein weicher Riemenantrieb hilft bei der Ruhe im Klang. Die Lautstärke muss nicht hoch sein. Die Dynamik liegt im Vortrag, nicht im Pegel. Achten Sie auf die Mitten. Dort liegt die Seele der Aufnahme. Eine neutrale Kette belohnt.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 profitiert von Pflege. Eine gereinigte Rille macht Atem und Saitenarbeit hörbar. Kleine Nebengeräusche stören nicht. Sie gehören zur Zeitkapsel. Wichtig ist, dass die Stimme nicht zischelt. Dann entfaltet sich der intime Charakter vollständig.

Vergleiche und Einordnung

Wer Chanson liebt, findet Bezugspunkte. Da ist die Liebe zur Sprache. Da ist die Nähe zur Gitarre. Da ist die gelassene Autorität eines Sängers, der nichts beweisen muss. Gleichzeitig bleibt Mey der Liedermacher, den Sie kennen. Er verzichtet auf Pathos. Er vertraut der kleinen Geste. So steht das Album zwischen den Stühlen und hat gerade dadurch festen Boden.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 gehört zu den Werken, die Brücken schlagen. Es vernetzt Repertoires. Es macht Lieder neu zugänglich. Für Hörerinnen und Hörer aus beiden Sprachräumen ist das eine Einladung. Sie entdecken Bekanntes neu. Sie finden Neues mit vertrauter Hand.

Momente der Größe in der Stille

Die Platte hat keine großen Showstopper. Ihre Größe liegt in der Stille. In einem gehaltenen Ton. In einem Wort, das genau passt. In einer Figur, die mit zwei Strichen lebt. Das ist nicht spektakulär. Es ist anspruchsvoll. Es verlangt Aufmerksamkeit. Doch die Mühe lohnt. Das Album belohnt mit Nähe.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 zeigt diese Qualität in fast jedem Track. Besonders spürbar wird sie in Mon testament, Le Vieil Ours und Au-dessus des nuages. Drei Lieder, drei Facetten. Zusammen zeigen sie den Kern des Projekts: Menschlichkeit, Form und Freiheit.

Historischer Moment, heutige Relevanz

1974 war eine Übergangszeit. Alte Gewissheiten wurden geprüft. Neue Formen suchten Raum. Diese Platte spiegelt das, ohne es auszustellen. Sie steht selbstbewusst da. Sie macht keine großen Gesten. Sie gibt Orientierung durch Haltung. Genau das fühlt sich heute wieder aktuell an. In Zeiten des Lärms braucht es klare Stimmen, die ruhig sprechen.

In Reinhard Mey Edition française, volume 3 finden Sie so eine Stimme. Sie ist nicht laut. Doch sie ist entschieden. Sie redet Sie nicht nieder. Sie lädt Sie ein. Das ist selten und wertvoll.

Fazit: Ein leises Meisterstück der Zweisprachigkeit

Edition française, volume 3 ist ein Grenzgänger, der keine Grenzmarke reißt. Er setzt Fahnen. Er zeigt, dass Sprache Brücke sein kann. Er bewahrt die Seele eines Liedes und zeigt sie in einem neuen Licht. Das gelingt, weil Haltung, Handwerk und Geschmack zusammenkommen. So entsteht ein Album, das lange trägt.

Reinhard Mey Edition française, volume 3 ist damit eine klare Empfehlung. Für Kenner von Meys Werk. Für Liebhaber des Chansons. Und für alle, die wissen wollen, wie ein Künstler seine Lieder in einer zweiten Sprache neu erfindet. Wer zuhört, hört mehr. Wer zweimal zuhört, hört noch einmal neu. Genau dafür wird diese Platte gemacht.

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