Letztes Update: 06. Oktober 2025
Der Artikel stellt Reinhard Meys Album 'Er zijn dagen …' vor, analysiert die thematische Tiefe seiner Texte und bewertet Arrangements, Stimme und Produktion. Er verbindet Kontext, Beispiele und eine fundierte Kritik, legt Stärken wie Schwächen offen.
1976 betrat Reinhard Mey eine Bühne, die nicht nur sprachlich neu war. Das Album Reinhard Mey Er zijn dagen … zeigt einen Künstler, der seine Stimme in einer anderen Kultur testet. Er tut das mit Respekt, Gefühl und klarem Blick. Die Lieder sind vertraut und doch anders. Die Themen sind bekannt. Die Worte wählen einen neuen Weg. So entsteht eine Platte, die Brücken baut. Zwischen Berlin und Den Haag. Zwischen deutschem Chanson und niederländischer Liedkunst. Zwischen der Sehnsucht nach Freiheit und der leisen Ironie des Alltags.
Sie hören hier keine simple Übersetzungsschau. Sie erleben vielmehr eine echte zweite Sprache der Poesie. Reinhard Mey Er zijn dagen … verwandelt nicht nur Worte. Es verschiebt Klangfarben. Es verändert Färbungen in Stimme und Rhythmus. Es öffnet Räume für neue Bilder. Genau das macht den Reiz dieser Vinyl aus. Sie ist ein Dokument des Muts. Und sie ist eine Einladung, die bekannten Songs aus einem neuen Blickwinkel zu hören.
Die Mitte der 70er war eine bewegte Zeit für Mey. Der Erfolg in Deutschland und Frankreich war da. Sein Name stand für klare Texte und warmen Klang. In den Niederlanden fand er früh offene Ohren. Auf Tour erlebte er nahen Kontakt mit dem Publikum. Die niederländische Sprache war für ihn kein Fremdkörper. Sie war ein Spielfeld mit weichem Boden. 1976 nutzte er dieses Feld. Reinhard Mey Er zijn dagen … wurde zur Geste der Nähe. Sie war auch ein Statement des Vertrauens in die Kraft des Liedes. Ein Lied kann die Grenze der Sprache überqueren. Es muss nur wahrhaftig bleiben.
Es gab zu dieser Zeit viele Übersetzungen im Chanson. Doch hier ist die Handschrift klar. Mey arbeitet sorgfältig. Er passt Silben an den Atem an. Er achtet auf den Fluss. Er bleibt dem Kern treu. So gewinnt die niederländische Version Eigenwert. Sie ist mehr als eine Kopie. Sie ist eine Schwester, keine Doppelgängerin.
Die Platte erschien als 12-Zoll-Vinyl mit elf Titeln. Das Format prägt den Klang. Die Produktion setzt auf Klarheit statt opulenter Schichten. Die Gitarre trägt das Bild. Eine sanfte Basslinie stützt. Ein Piano setzt Zeichen. Hier und da schimmern Streicher. Alles dient der Stimme. Nichts drängt sich vor. Der Raum wirkt intim, aber nicht eng. Sie hören Nuancen. Der Plektrum-Anschlag. Das kurze Einatmen vor einem Refrain. Das Leben zwischen den Takten. Genau das lädt zum Wiederhören ein.
So gelingt auch die Balance mit dem Niederländischen. Die Sprache hat weiche Kanten. Die Melodie bekommt dadurch einen anderen Schwung. Einige Phrasen sitzen tiefer. Andere heben sich leichter. Das macht die Spannung aus. Reinhard Mey Er zijn dagen … nutzt diese klangliche Bewegung sehr bewusst.
Meys Stimme ist ein Instrument voller Schattierungen. In der niederländischen Fassung klingt sie noch eine Spur behutsamer. Die Konsonanten sind weich. Die Vokale schwingen länger. Er legt die Worte sorgfältig. Das Tempo bleibt ruhig. Die Erzählung steht im Mittelpunkt. Es ist kein Ausstellungsgesang. Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe. Sie spüren die Suche nach dem richtigen Ton. Nicht nur in der Musik. Auch im Zwischenraum der Kulturen. Das macht das Hören spannend.
Sie merken, wie ernst Mey das nimmt. Er vermeidet betonte Fremdheit. Doch er glättet keine Ecken, nur um angenehm zu klingen. Die Authentizität zählt. So bleibt die Nähe zum Original gewahrt. Und doch wirkt alles frisch und neu. Genau diese Balance trägt Reinhard Mey Er zijn dagen … über die volle Laufzeit.
Der Opener „Ik wou zoals Orpheus zingen“ setzt den Ton. Der Wunsch, wie Orpheus zu singen, ist ein uraltes Bild. Mey macht es konkret und nah. Die Gitarre führt. Die Melodie ist hell, aber nicht leichtfertig. Das Stück ist kurz, klar und straff. Es öffnet eine Tür. Hinter dieser Tür wartet ein Album, das sehr bewusst atmet.
„Boven de wolken“ ist der bekannte Fixpunkt. Der Song steht wie ein Leuchtturm in Meys Werk. Frei sein. Weit sehen. Die Wörter tragen die Höhe in sich. Die niederländische Fassung ist weich und frei von Pathos. Sie arbeitet mit Licht statt mit Druck. Sie hat einen anderen Rhythmus im Vortrag. Es wirkt, als flöge die Stimme mühelos. So bleibt die Botschaft universell. Sie fühlen die Weite. Sie fühlen auch die Ruhe, die von oben kommt.
„Vergeef mij als je kunt“ bringt die Bitte um Verzeihung auf den Punkt. Der Text tastet sich vor. Ohne Lautstärke. Ohne Selbstmitleid. Die Melodie trägt die Scham und die Hoffnung zugleich. Es ist ein leiser Höhepunkt. Sie spüren die Zeit, die zwischen den Zeilen steht.
„Mijn testament“ beschließt keinen Besitz. Es ordnet ein Leben. Es listet Werte. Es prüft Haltungen. Der ruhige Gang des Stücks passt dazu. Es ist keine Bilanz, die klirrt. Es ist eine, die mit Holz riecht. Diese Erdung trifft. So gewinnt der Song in Niederländisch noch einmal an Wärme.
„Ikarus“ ist ein altes Motiv. Doch Mey legt den Schwerpunkt auf den Mut. Nicht nur auf den Sturz. Der Flug steht im Vordergrund. Die Worte legen sich an die Melodie wie ein Segel. Der Refrain greift weit, aber er schreit nicht. Das Stück bleibt konzentriert. Sie hören Respekt vor der Geschichte. Und Mut zu einer anderen Lesart.
„Diplomatenjacht“ ist böse und hell zugleich. Der Ton ist satirisch. Die Bilder sind scharf. Die Gitarre sticht die Silben frei. Das Tempo ist wendig. Hier zeigt sich die politische Kante. Mey bleibt präzise. Er wird nie grob und verliert nie das Lächeln. Diese Reibung hält wach. Auch im Niederländischen bleibt sie schneidend.
„De bekentenis“ ist eine Eröffnung ins Private. Es ist kein Drama. Es ist ein stilles Geständnis. Der Aufbau ist langsam. Die Worte sind knapp und klar. So wächst Nähe. Das Stück verlangt Geduld. Es gibt dafür Tiefe. Reinhard Mey Er zijn dagen … lebt von solchen Momenten. Sie geben der Platte Kontur.
„Station Schiedam“ verlegt die Kulisse klar in die Niederlande. Der Ortsname trägt viel. Der Song benutzt ihn wie ein Foto. Sie sehen den Bahnsteig. Sie hören das Quietschen der Schienen. Sie fühlen das Warten. Solche konkreten Bilder verankern die Lieder. Sie verhindern, dass die Platte nur als Übersetzungsprojekt wirkt. Sie ist verwachsen mit dem Ort.
„De oude beer is dood“ wirkt wie ein Märchen ohne Süße. Es geht um Abschied. Um das Ende einer Zeit. Der Text bleibt gelassen. Er weint nicht. Er nimmt wahr. Die Musik trägt diese Haltung. Nichts wird schwer. Aber alles wiegt. Das ist große Kunst.
„Soms zou ik mijn hond willen zijn“ bietet eine Wendung ins Spielerische. Die Idee ist frisch und klug. Das Tier blickt auf den Menschen zurück. Die Freiheit, die wir ihm beneiden, ist eine Projektionsfläche. Mey nutzt sie mit Charme. Das Lied hat Witz. Es hat auch Melancholie. Es erinnert daran, wie viel einfacher manches sein könnte. Ohne Pflichten. Nur mit Treue und Schlaf.
Zum Schluss „Alles komt, zoals 't komen moet“. Der Titel ist Programm. Das Lied lässt los. Es vertraut dem Lauf der Dinge. Keine große Geste. Ein sanftes Nicken. Es ist ein guter Abschied. Er öffnet keine offene Frage. Aber er hält einen Nachklang bereit. Sie legen die Nadel zurück. Oder Sie lassen die Stille wirken.
Übersetzen ist immer ein Risiko. Im Lied ist es ein doppeltes. Die Worte müssen in die Musik passen. Die Musik muss in den Mund passen. Hier gelingt beides erstaunlich gut. Sie hören kleine Verschiebungen. Ein Reim wandert. Ein Bild wird lokaler. Der Sinn bleibt sicher. Die Kernbotschaft trägt. Das spricht für die Sorgfalt im Detail. Und es spricht für die Flexibilität der Lieder. Sie sind robust. Sie halten eine andere Sprache aus. Sie gewinnen sogar neue Farbe. Genau damit punktet Reinhard Mey Er zijn dagen … auf ganzer Linie.
Spannend ist die Wirkung auf die Artikulation. Niederländisch erlaubt weichere Ketten. Dadurch entstehen längere Bögen. Einige Passagen klingen dadurch zugänglicher. Andere gewinnen an Nachdruck. Diese Vielfalt macht das Album lebendig.
Die Themen sind klassisch für Mey. Freiheit ist da. In „Boven de wolken“ und in „Ikarus“. Die Liebe steht im Raum. Mal verletzlich, mal souverän. Die Zeit wird geordnet. Mal in „Mijn testament“, mal im stillen Blick zurück. Und immer wieder Humor. Nie als Nummer. Immer als Haltung. Diese Mischung ist sein Markenzeichen. Sie ist auch hier intakt.
Die Auswahl der Stücke ist klug. Sie zeigt viele Facetten. Sie ist dramaturgisch gut gesetzt. Kein Song wirkt wie Füllstoff. Jeder hat ein Gewicht in der Folge. Das steigert den Hörfluss. Sie können die Platte in einem Zug hören. Oder Sie springen zu einem Lieblingslied. Beides funktioniert. So bleibt Reinhard Mey Er zijn dagen … lange frisch.
Das niederländische Publikum reagierte traditionell offen auf deutschsprachige Chansons. Bei Mey kommt eine besondere Nähe hinzu. Seine Klarheit schätzt man auch jenseits der Grenze. Die niederländischen Fassungen erleichtern den Zugang weiter. Das gilt vor allem für „Boven de wolken“. Es ist ein Lied, das viele Menschen als ihr eigenes empfinden. In der Landessprache wird es noch persönlicher. Das erklärt einen Teil der Wirkung von Reinhard Mey Er zijn dagen … bis heute.
Gleichwohl ist das Album kein Massenprodukt. Es bleibt ein Liebhaberstück. Es lebt vom genauen Hinhören. Es belohnt Kenner. Es lädt Neugierige ein. Wer Mey mag, findet hier eine rare, feine Variante seines Tons. Wer ihn erst entdeckt, bekommt einen klaren Einstieg. Ohne Ballast. Ohne Posen.
„Boven de wolken“ ist mehr als ein Hit. Es ist ein Knotenpunkt im Werk. Hier treffen sich Lebensthema und Melodieglück. Die niederländische Fassung zeigt, wie universell das Motiv ist. Der Text ist knapp. Das Bild ist groß. Eine leise Gitarre reicht, damit es hebt. So wirkt das Lied über Länder und Jahrzehnte hinweg. Es ist das beste Beispiel dafür, warum Reinhard Mey Er zijn dagen … Sinn macht. Es zeigt, dass ein gutes Lied überall atmen kann.
Sie werden vielleicht die deutschen Worte im Kopf haben. Sie werden das nicht stören. Es entsteht ein Echo, das die Erfahrung reicher macht. Zwei Sprachen, ein Gefühl. Das ist das Versprechen dieses Albums. Es löst es ein.
Im Kanon von Mey ist diese Platte ein Seitenweg. Doch der Weg ist wichtig. Er zeigt die Lust am Austausch. Er zeigt die Offenheit für Nuancen. Er zeigt auch, wie stabil die Lieder sind. In einer anderen Sprache stehen sie anders im Raum. Aber sie fallen nicht. Sie wachsen. Diese Einsicht verändert den Blick auf das Gesamtwerk. Reinhard Mey Er zijn dagen … ist so gesehen ein Prüfstein. Er beweist, was die Texte und Melodien tragen.
Auch für die Sammler hat das Album Gewicht. Vinyl-Liebhaber schätzen die warme Abmischung. Die Titelfolge ist stimmig. Die Laufzeit ist gut verteilt. Das Cover atmet die 70er. Es passt zum Klang. Alles wirkt aus einem Guss. Das erhöht den Wert als Artefakt. Es ist ein Stück Zeit. Und es ist ein Stück Haltung.
Sie lieben klare Lieder und feine Sprache? Dann lohnt sich Reinhard Mey Er zijn dagen …. Sie interessieren sich für Übersetzung als Kunst? Dann lohnt es sich doppelt. Sie suchen Vinyl, das ruhig ist und doch wach macht? Diese Platte erfüllt das. Sie fordert nicht mit Lautstärke. Sie arbeitet mit Genauigkeit. Sie ist ideal für einen Abend, an dem Sie zuhören wollen. Vielleicht sogar mit Textheft. Vielleicht auch ohne. Sie hält beides aus.
Wenn Sie Mey nur auf Deutsch kennen, bietet das Album eine Überraschung. Es ist vertraut. Es ist neu. Es ist ein kleiner Perspektivwechsel. Solche Wechsel tun gut. Sie weiten den Blick. Sie schärfen das Ohr. Sie geben alten Liedern neuen Glanz.
Die elf Titel bauen geschickt Spannung auf. Der Auftakt ist hell. Die Mitte ist reich an Nachdenklichkeit. Der Schluss löst freundlich. Dazwischen stehen kleine Spitzen. Satire, Mythos, Alltag. Kaum ein Track wirkt allein. Die Songs sind mit Bedacht gesetzt. Die kurzen Stücke atmen zwischen den längeren. Das gibt dem Album Rhythmus. Die Gesamtzeit ist angenehm. Nichts ist zu lang. Nichts bricht ab. Es wirkt, als habe jemand den Fluss immer im Blick gehabt.
Auch die Reihenfolge der Sprachen in den Refrains sitzt. Manche Reime wirken im Niederländischen offener. Das passt zur leichten Geste. Andere Zeilen schließen fester. Das gibt Halt. So trägt sich das Ganze von Seite A zu Seite B und zurück.
Natürlich lädt das Album zum Vergleich ein. Einige Stücke sind im Deutschen härter konturiert. Die Konsonanten schneiden tiefer. Das baut Kraft auf. Die niederländischen Versionen wirken luftiger. Das hebt die Poesie. Keines ist besser. Beides ist gültig. Sie sind zwei Wege zum gleichen Ziel. Ein Lied erzählt eine Wahrheit. Es findet dafür verschiedene Stimmen. Reinhard Mey Er zijn dagen … macht genau das hörbar.
Im direkten Wechselhören merken Sie feine Unterschiede. Ein Halten einer Note. Ein anderes Atmen vor einer Zeile. Eine minimale Tempoänderung. Solche Nuancen zeigen die Sorgfalt. Es ist die Arbeit eines Künstlers, der weiß, dass jedes Detail zählt. Es lohnt, darauf zu achten. Es macht die Erfahrung reicher.
Dieses Album ist mehr als eine Randnotiz. Es ist ein Kapitel. Es erzählt von Neugier. Es erzählt von Respekt vor einer anderen Sprache. Es zeigt, wie Liedkunst Grenzen sanft überquert. Die Produktion ist warm. Die Stimme ist nah. Die Texte sind klar. Die Dramaturgie stimmt. Es gibt Höhepunkte, die lange nachklingen. Und es gibt kleine Momente, die das Herz weiten.
Sie müssen kein Niederländisch-Profi sein, um dieses Werk zu schätzen. Die Musik trägt Sie. Die Bilder sind deutlich. Die Gefühle sind universell. Wer Mey kennt, hört hier vertraute Stärke. Wer ihn neu entdeckt, findet einen feinen Einstieg. In beiden Fällen bleibt ein Satz hängen: Gute Lieder sind beweglich. Sie bleiben sie selbst. Auch wenn sie andere Worte wählen. Genau das beweist Reinhard Mey Er zijn dagen … mit leiser, aber nachhaltiger Kraft.
Reinhard Mey hat mit seinem Album "Er zijn dagen …" erneut ein Werk geschaffen, das tief berührt und zum Nachdenken anregt. In diesem Artikel wird das Album vorgestellt und kritisch beleuchtet. Wenn Sie ein Fan von Singer-Songwritern sind, werden Sie sicherlich auch andere Werke von Reinhard Mey interessant finden. Ein weiteres bemerkenswertes Album ist "Reinhard Mey Zwischen Zürich und zu Haus: Live". Diese Live-Aufnahme zeigt Meys beeindruckende Bühnenpräsenz und die emotionale Tiefe seiner Lieder.
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Für diejenigen, die mehr über Meys Schaffen erfahren möchten, ist auch "Reinhard Mey Alleingang" sehr empfehlenswert. Dieses Album bietet einen tiefen Einblick in seine musikalische Entwicklung und seine Fähigkeit, Geschichten durch Musik zu erzählen. Es ist ein weiteres Beispiel für seine herausragende Kunstfertigkeit und seinen Einfluss auf die Musikszene.